bluemoon:"Ehrlich gesagt, hab ich meine Meinung nicht geändert.
Ich unterscheide einfach zwischen der SPS selber und dem Begriff. Das was die SPS ausmacht ist sowohl in ICD-11 als auch im ICD-10 vorhanden und benennbar. Das einzige was weggefallen ist, ist der Begriff. Wenn du willst die Schublade mit dem Etikett SPS ist weg, aber der Inhalt ist immer noch da und liegt immer noch zusammen auf einem Haufen. Wenn man möchte, kann man den nach wie vor SPS nennen."
Ich kapiere es immer noch nicht.
Die Schublade SPS war blöd, weil es DIE SPS nicht gibt, Leute da hineingepresst wurden, aber die (damit verbundenen) spezifischen Inhalten gibt es immer noch ergo kann man es auch weiterhin SPS nennen, das Etikett wieder an die Schublade kleben?!?!
Genau diese Assoziationen soll die Neufassung auflösen.
Da scheint mir das Problem dann nicht in der Neufassung zu liegen (die bricht dieses Muster ja auf!), sondern darin, dass einige Menschen wohl ihre alten Denk- und Verhaltensmuster nicht oder nur sehr schwer aufgeben können. Da müssen nun die Behandler (Ärzte, Therapeuten etc) zeigen, ob sie das, was sie dem Patienten aufzeigen möchten, selbst beherrschen: Flexibilität, alte Muster, die nicht mehr hilfreich sind, durch neue zu ergänzen/ersetzen.
Das wird einigen gut gelingen, anderen weniger und mach einem vielleicht gar nicht. ... Das wird die Praxis zeigen.
Was die BPS betrifft sehe ich weitere, andere Aspekte. Die BPS scheint MIR eng verknüpft mit traumatischen Erlebnissen. Daher eben auch dieses "Sonderstellung". Huber u.A. wirken schon sehr lange daraufhin, dass dieser Zusammenhang mit in der Diagnose und entsprechender Behandlung Berücksichtigung findet. ...
Ob andere Merkmale und wenn ja welche einer PS ebenfalls (zwangsläufig) auf traumatische Ereignisse zurück zu führen sind, ist eben NOCH sehr fraglich. Nicht genug erforscht, untersucht, zu wenig Daten. Hier könnte die Neufassung ebenfalls ein Instrument werden, diese Daten zu sammeln. "Trauma-er-forschung" war in den letzten Jahren das "Steckenpferd"...
ToWCypress81:"Wo kann eine Diagnose bezogen auf das direkte individuelle eingehen der Probleme in einer Therapie überhaupt hilfreich sein?"
Eine Frage, die für mich nicht einfach und klar zu beantworten ist. ABER, was ich (aus den Erfahrungen der Vergangenheit) behaupte: Egal, welcher (medizinische) Bereich: eine falsche Diagnose und dementsprechende Therapieverfahren können (sehr wahrscheinlich) mehr Leid erzeugen als dass sie hilfreich/nützlich/heilsam sind.
Für mich beginnt das Problem weiter unten. Psychologie/Psychiatrie verstehen sich als Wissenschaften, müssen dementsprechend wissenschaftliche Standards einhalten. Das Dilemma beginnt für mich daher dort. Denn Naturwissenschaften stellen (wiederholbare) Grund-Gesetzmäßigkeiten fest: Wenn...dann...
Diese GRUND-Gesetzmäßigkeiten sind bisher im menschlichen Verhalten derart -noch?- nicht gefunden. Individuelles Verhalten ist nicht berechenbar.
Fällt der Apfel vom Baum, fällt er nach unten. Alle Äpfel fallen (laut Grundsetzmäßigkeit) auf der Erde nach unten.
Dann erst werden die Abweichungen untersucht. ...
Meiner Meinung nach mangelt es der Psychiatrie als auch der Psychologie solch allgemein gültiger Gesetzmäßigkeiten. Wonach sich ALLE Menschen so verhalten müssten, wenn...
Daher ist diesbezüglich jede Diagnose immer noch eher eine individuelle, denn eben eine zusammenfassende.
Aber: Therapieverfahren haben sich dennoch entwickelt.
Da man hier von dem Grundsatz ausgeht: Denken-Fühlen-Verhalten bedingen sich bei ALLEN Menschen. Darauf sind alle Therapieverfahren aufgebaut und aus Erfahrung weiß man nun, dass bestimmte Therapieverfahren bei bestimmten Schwierigkeiten nützlicher sind als andere.
Therapie und Forschung bedingen eben auch einander.
Insofern kann eine übergeordnete Diagnose dem Therapeuten hilfreich sein, eine ERSTE Einschätzung vorzunehmen. Den Prozess der speziellen Diagnosefindung einzuleiten auf Grund der individuellen Schwierigkeiten des Patienten. ... Die erste(n) Therapiestunde(n) ist enorm wichtig für das Verhältnis Patient-Therapeut. Doch ohne vorläufige (übergeordnete) Diagnose keine Therapie.
Insofern sehe ich die Neufassung, da ohne Schubladen, als potentielle Möglichkeit gemeinsam mit dem Patienten die individuell sinnvolle Behandlung heraus zu finden. Und in diesem Prozess die Diagnose immer detaillierter zu erkennen und zu benennen. Ich kann mir daher vorstellen, dass dieses auch dazu beitragen kann, dass medikamentöse Behandlungen erneut auf dem Prüfstand stehen.
Also für mich: Diagnosen haben einen Sinn. Wenn sie richtig gestellt sind. Also alle Faktoren mit einbezogen werden, statt sie auf eine Schublade zu reduzieren und von da ausgehend zu behandeln.
Stellt man dann nach jahrelangem Sammeln und Auswerten der Daten doch gewisse Übereinstimmungen fest (siehe BPS) KÖNNEN sich durchaus (wieder) Kategorien entwickeln. Die dann auf gezielte Therapieverfahren hinweisen können.