Die Banalität des Bösen oder was ist eigentlich Neurotypisch (Normal)?

Ein Leben in (völliger) Isolation? Du bist sehr introvertiert, ängstlich-vermeidend oder gar schizoid? Wie gehst du damit um?
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ToWCypress81
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Re: Die Banalität des Bösen oder was ist eigentlich Neurotypisch (Normal)?

Beitragvon ToWCypress81 » 7. Januar 2024, 12:25

sdsdsdsv hat geschrieben:Klingt nach "Lernen durch Schmerz", was möglicherweise funktioniert, aber sicherlich die schlechteste Methode ist, um als sozialer Mensch heranzureifen.

Das sehe ich genauso.
Und ist auch nicht mein Anliegen das in irgendeiner Form zu propagieren.

Mir geht es hier um die, die bereits geschädigt sind, und die welche nicht geschädigt sind - in der Auswirkung, was schadhaftes Verhalten betrifft.
Ob es da eine Tendenz schadhaften Verhaltens in die eine oder andere Richtung gibt - da Erfahrungen auszutauschen. Und damit für sich aus dem eigenem Selbstbild heraus zu emanzipieren, um sich mehr Mitbestimmung zu gesellschaftlichen Fragen zuzutrauen, anstatt als gestörter Mensch am Rande der Gesellschaft "duckmäuserisch" im Austausch mit anderen sein Dasein zu fristen.

sdsdsdsv hat geschrieben:Dem möchte ich die Übernahme schädigender Verhaltensmuster entgegensetzen (Geschlagene schlagen später selbst). Es gehört schon Selbstreflektion und ggf. enorm viel Arbeit dazu, bekannte Muster zu hinterfragen und sich selbst auf die Suche nach Alternativen zu machen.

Guter Punkt. Kommt wie ich finde auch auf die Art der psychischen Belastung/Stressoren und Genetik drauf an, in wie fern der Mensch danach selbst zum Wiederholungstäter wird.
Wie ist es denn bei dir?
Bist du jemand der anderen bewusst Schaden zufügt?
Oder zwingt dich deine Störung zum Nichtstun?

sdsdsdsv hat geschrieben:Das führt aber meiner Meinung nach zu der Frage, wie und inwieweit Sensibilität im Umgang mit anderen erlernt werden kann. Da wären einerseits, wie schon erwähnt, vorhandene oder weniger vorhandene genetische Grundlagen und andererseits die Möglichkeit von Eltern, Schule, Kindergarten zu einem guten Umgang beizutragen. Meiner Meinung nach ist eine pädagogische Erziehung hier sehr wirksam
Das sehe ich auch so, und stelle das in keinster Weise in Frage.
Ist aber flächendeckend bei vielen Menschen so wie es derzeit aussieht noch zu unreichend vorhanden.
Dies aber hier nicht Thema meines Anliegen war.
Mir ging es wie erwähnt um bereits Geschädigte und damit zusammenhängend einer neuen Perspektive im Selbstbild.

Es geht mir hier nicht um eine Verallgemeinerung - Neurotypische sind so, Neurodivergente sind so - und eine Abwertung/Aufwertung derer.

Sondern um das tendenziell schädigende Verhalten im eigenen Selbstverständnis, im Vergleich mit anderen schädigenden Menschen.

Daher nochmal die Frage an euch selbst (nicht wie ihr nur denkt wie es bei diesen oder jenen Menschen ist):
Schadet ihr anderen bewusst?
Habt ihr wiederholt Rückmeldung bekommen das ihr in eurem jetzigen Zustand anderen auf tätliche Weise schadet?
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Re: Die Banalität des Bösen oder was ist eigentlich Neurotypisch (Normal)?

Beitragvon sdsdsdsv » 7. Januar 2024, 18:26

ToWCypress81 hat geschrieben:Wie ist es denn bei dir?
Bist du jemand der anderen bewusst Schaden zufügt?
Oder zwingt dich deine Störung zum Nichtstun?


Diese interessante (und sehr persönliche Frage) möchte ich so beantworten, dass ich in keinster Weise anderen gegenüber aggressiv auftrete. Damit vermeidet man natürlich eine Menge Konflikte. Diese Verweigerung von Aggression wird aber spätestens wieder selbst zum Problem, wenn 90% der Interaktionen zwischen Kollegen aus freundschaftlichem Necken besteht. Außerdem ist es so fast unmöglich Menschen näher kennenzulernen, weil man ab einer gewissen Ebene der Vertrautheit sich gegenseitig "kabbelt", eben diese Spiegelfechtereien austrägt und sich einander misst, wie Löwenbabies, die sich schon mal ausprobieren. Wenn ich dann doch mal "pariere" ist meine Antwort oft zu schneidend, oder wird nicht als Scherz aufgefasst. Bei mir entspringt diese Reaktion dann der Vernunft (und wirkt unecht), während andere das praktizieren, ohne nachzudenken.

Inwieweit dies auf eine eigene Traumatisierung zurückgeht, kann ich nicht sagen. Es scheint aber typisch für die schizoide PS zu sein, wenn ich diesen zwei Links glauben schenken darf, die ich auf die Schnelle entdeckte:

https://www.reddit.com/r/Schizoid/comme ... ence_than/

https://www.quora.com/How-common-is-it- ... it-of-rage

Daher nochmal die Frage an euch selbst (nicht wie ihr nur denkt wie es bei diesen oder jenen Menschen ist):
Schadet ihr anderen bewusst?


Auf keinen Fall, allerdings bezweifle ich, dass der Grund darin besteht, dass ich aufgrund von selbst erfahrenem Leid darauf verzichte anderen zu schaden. Ich würde das eher als Kommunikationsstörung (psychische und physische Gewalt sind vermutlich auch eine From der Kommunikation) werten. Wie ist das bei dir, ToWCypress81?

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Re: Die Banalität des Bösen oder was ist eigentlich Neurotypisch (Normal)?

Beitragvon ToWCypress81 » 7. Januar 2024, 21:18

sdsdsdsv hat geschrieben:Wie ist das bei dir, ToWCypress81?

Ich persönlich habe unheimliche Angst vor jedem emotionalen verbalen Konflikt (nicht auf Internet bezogen).
Es krampft sich dabei alles bei mir zusammen, und fühle mich dann immer in die Ecke gedrängt.

So kann ich dabei keinen klaren Gedanken fassen, und fühle mich dann in einem reinen Verteidigungsmodus, ohne selbst die Situation im Sinne eines reflektierten Wortführers, der versteht was der/die andere wollen könnte in einem Angriffsmodus umzudrehen.

Das einzige was dann bei mir passiert, ist eine persönlich angegriffen fühlende wutschnaubende Schnappatmung, in dem ein Ungerechtigkeitsempfinden dominiert, und ich dabei nur noch anfange laut zu werden und unreflektierte Satzbausteine raushaue die mich rechtfertigen sollen.

Dies bei mir meines Erachtens aus geringen Selbstbewusstsein, traumatischen Angstvorstellungen und Ohnmachtsvorstellungen nichts dagegen tun zu können, heraus entsteht.

Ansonsten, wenn es nur um körperliche Auseinandersetzungen geht, ich zumindest im Vorfeld bei aggressiven Gebaren, mich immer mein Stolz dazu veranlasst keine Angst oder Unterwürfigkeit zu zeigen, um dadurch zumindest mimisch und gestisch immer meine Bereitschaft dahingehend symbolisiere.
Zumindest kam es dazu nie zu richtigen körperlichen Auseinandersetzungen.
Zudem ich nicht zum provozieren neige, und auch sonst keinerlei sarkastische oder pöblerische Ader habe. Da ich das im Austausch mit anderen als nicht richtig empfinde. Zumindest nicht wenn es kein Humor auf Augenhöhe bei Menschen die ich mag ist.

sdsdsdsv hat geschrieben:allerdings bezweifle ich, dass der Grund darin besteht, dass ich aufgrund von selbst erfahrenem Leid darauf verzichte anderen zu schaden. Ich würde das eher als Kommunikationsstörung (psychische und physische Gewalt sind vermutlich auch eine From der Kommunikation) werten.

Aus welchem Grund denkst du, woher diese Kommunikationstörung kommt?
Würdest du wirklich sagen, das wenn du vom Gefühl her ehrlich zu dir bist, das nichts was bei dir im Leben vorgefallen ist (durch die Mischung aus Erziehung, Epigenetik und vor allem Negativ-Erfahrungen) - deine Art wie du in den Kontakt mit Menschen tretest so beeinflusst hat, das du wie eben erwähnt: möglichst keine bewusste Aggression zulässt und in den Konflikt tretest?
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Re: Die Banalität des Bösen oder was ist eigentlich Neurotypisch (Normal)?

Beitragvon ToWCypress81 » 12. Januar 2024, 23:14

sdsdsdsv hat geschrieben:Inwieweit dies auf eine eigene Traumatisierung zurückgeht, kann ich nicht sagen.

Hallo sdsdsdsv und Community,

tut mir leid, wenn ich da in meinem vorherigen Beiträgen zu sehr den Fokus auf eine Traumatisierung und entsprechendes Verhalten begründet habe.
Dies war möglicher Weise in vielerlei Hinsicht zu einseitig und in meiner Rhetorik zu erdrückend. Sodass damit wenig Spiel für andere Perspektiven da war.

So musste ich auch nochmal meine hier von mir gegebene Selbsteinschätzung, was mein Kommunikationsverhalten und Ängste betrifft überdenken.
Und muss letztendlich sagen: auch ich kann nicht 100% definieren, verstehen und eindeutig sagen wieso ich denke Probleme zu haben und ob ich überhaupt "echte" Probleme im Vergleich mit anderen habe.

Zu sagen es wäre bei mir auf einer emotional-verbalen Angst aufgebaut (Angststörung und was ich bisher alles von mir gab), warum ich vermeide mit Menschen in den Kontakt zu treten, kann ich nicht bestätigen, wenn ich Menschen die wirklich Probleme in dem Bereich haben (soziale Phobie, ängstlich-vermeidende PS, starke Schüchternheit) im Vergleich zu mir herziehe. Dafür ist mein Zugehen auf Menschen, egal ob emotional-verbal oder körperlich, im Vergleich mit erwähnten Menschen eben Nicht vermeidend, genauso wenig wie ängstlich.

Fakt ist: ich weiß bis heute nicht ob ich wirklich eine PS oder überhaupt irgendwas (schwerwiegendes) habe. Und vielleicht stattdessen das einfach immer nur einem reinsteigern in Ängste und Probleme die ich mir selbst mache aufbausche, aber im Kern gar nicht vorhanden sind.

Ja, ich bin ein Mensch der gerne für sich lebt, aber auch in den Austausch mit anderen, vor allem schriftlich und mit ein paar Menschen auch mal verbal - geht.
Ob mich das nun schizoid macht oder neurotypisch - spielt das überhaupt eine Rolle?

So habe ich vorhin in einem Twitch-Stream eine sehr gute Definition zum Menschsein gehört, bei einem Diskurs über Transgender, missgegenderte Menschen aufgrund von Bequemlichkeit, und allgemein Menschen am Rande der Gesellschaft:

"Das das schlimmste für jeden Menschen ist, wenn sie/er als "nicht normal" bezeichnet wird, egal welchen Hintergrund dieser Mensch hat". "Denn Jeder Mensch ist normal". "Aus dem eigenen Blickwinkel heraus fühlt sich jeder Mensch normal".

Das sehe ich eigentlich auch so.
Wenn ich mich als Menschen mit dieser oder jenen PS definiere bzw eingliedern will oder soll, steigt bei mir immer erst in diesem Moment so ein Gefühl hoch wie, "OK ich habe also diese gestörten unnormalen Eigenschaften die mich in meinem Wesen ausmachen - Wow, diese Schublade, dieses gestörte Verhalten zu haben, das ich haben soll wenn ich in den Kontakt mit Menschen gehe, fühlt sich richtig scheiße an, ich will damit nichts zu tun haben wenn ich einen Menschen treffe, ansonsten steigt Angst/Panik hoch so gestört/unnormal angesehen zu werden, so ein Schwachsinn/Blödsinn - ich habe/bin das nicht". Und kurz nachdem ich mir sage, "was für ein Bullshit, das trifft nicht auf mich zu" fallen all diese negativen Gefühle und Ängste wieder von mir ab. Es geht mir sofort wieder besser, und fühle mich auch plötzlich gar nicht mehr "gestört" und in dem Sinne auch nicht mehr "unnormal".

Von daher:
Ich glaube kein Mensch will sich gerne als "gestört", "unnormal" bzw einer der Gesellschaft nicht zugehörigen und damit "unnormalen" psychischen Verfassung zurechnen.
Und damit einhergehend vielleicht auch nicht einer Traumatisierung - die den Menschen als damit "behindert" (auch eine Form von "Nicht Normal") im Verhalten der Gesellschaft gegenüber darstellt, zuordnen.

Vielleicht führt daher die Einordnung in Neurotypisch, Neurodivergent/-divers und entsprechend "normales" oder "unnormales" Verhalten (in der Gesellschaft) zu rein gar nichts.

Da im Grunde jeder Mensch neurotypisch (Normal) auf seine eigene Art und Weise ist.

Was das nun für diesen Thread macht oder aussagt:
Ja, wie anfangs erwähnt, ist jeder Mensch ein Individuum. Und kann daher Jeder nun meiner Meinung nach auch in einer Gesellschaft Schaden verursachen oder mit Teilen der Gesellschaft neue Perspektiven aufmachen, für ein schadfreieres gesellschaftliches Leben. Das ist wahrscheinlich so vielfältig wie es nur sein kann und in Teilen vielleicht auch so sein sollte (?)

Aber um da nicht wieder zu viel vorweg zu nehmen, da gerne auch eure Meinung und Perspektive, ob und in wie weit da eine Veränderung in euch und der Gesellschaft wie ihr findet möglich ist :glück:
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Re: Die Banalität des Bösen oder was ist eigentlich Neurotypisch (Normal)?

Beitragvon ToWCypress81 » 25. Januar 2024, 08:42

Als mich meine Vermieterin vor 3 Tagen (wie fast alle ca 2 Monate seit 2 Jahren) bedrängt einen neuen Vertrag zu unterschreiben, da sie angibt "nur noch draufzuzahlen", hat sie, da ich das erste mal seit einem halben Jahr wieder zurückschrieb und auf meinem alten rechtsgültigen Vertrag bestand - nun mal wieder verkündet, das sie "ansonsten eine Kündigung auf Eigenbedarf machen muss".

Die einzige Perspektive die ich daraufhin immer habe, ist meine eigene. Ich käme gar nicht darauf, zu beleuchten und auseinander zu nehmen was an dem was sie sagt nicht der Wahrheit entspricht, selbst wenn ich mich dann immer über Rechtsschutzvideos/-texte kundig mache.
So musste mich erst wieder meine Lebensgefährtin (wie immer) darauf aufmerksam machen - das ich darauf gar nicht einzugehen brauche. Da eine Kündigung auf Eigenbedarf als Drohung um einen Mietvertrag durchzusetzen unzulässig ist.

Selbstständig bzw von mir aus kommt es mir nie in den Sinn so zu denken. Ich wäre niemals zu dieser umgedrehten Perspektive gekommen (die Person die den Konflikt provoziert in dem was sie sagt zu hinterfragen). Da ich immer nur das wahrnehme was andere mir sagen, und dann im Sinne eines Selbstschutzes auf genau das reagiere.

Da frage ich mich oft:
aus welchen Gründen gehen Menschen in einen wiederrechtlichen den anderen schadenden Konflikt?
Ich denke - weil sie es sich wert sind.
Sie das Selbstbewusstsein dafür haben über Grenzen anderer zu gehen.
Ich bin mir meines Wertes nicht bewusst. Ich bin nie über Grenzen anderer gegangen.

Ist es vielleicht daher so, das ein vorhandenes oder nicht vorhandenes Selbstbewusstsein ausschlaggebend ist, ob man schadet oder nicht?
Wenn ich von mir ausgehe, dann denke ich schon.

Dieses "andere schaden" somit gar nichts mit einer neurodivergenten oder neurotypischen Art und Weise zu tun hat, sondern vielleicht nur mit dem Grad des eigenen Selbstbewusstseins.

Meine These:
Dem zufolge es an der Art der Erziehung liegt, ob ein Mensch Selbstbewusstsein erlangt und in der Lage ist Schaden an anderen durchzuführen.
Was ich damit meine: Heranwachsende die als Kind nicht gefordert wurden in den Konflikt zu gehen und daher nicht lernten sich durchzusetzen, erlangen kein Gefühl anderen gegenüber etwas bewirken zu können. Die Perspektive entwickelt sich dahingehend erst gar nicht. Somit auch nicht der Wille über die Grenzen anderer zu gehen.

Auch wenn ich mir über das nun immer mehr bewusst werde, und somit in Konflikten mir meiner Rechte mehr im Klaren werden könnte - die verlogenen und selbstermächtigenden Tücken des Gegenübers zu sehen - denke ich dennoch nicht, das ich jemals über die Grenzen anderer gehen könnte.
Dazu fühle ich mich einfach nicht fähig. Der Zug ist abgefahren. Das ist nicht im meinem Bewusstsein, nicht in meinem Denken und fühle das auch nicht.

Wie seht ihr das bzw haben einige von euch da ein ähnliches Empfinden was das eigene Selbstbewusstsein betrifft?
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Re: Die Banalität des Bösen oder was ist eigentlich Neurotypisch (Normal)?

Beitragvon orinoco » 25. Januar 2024, 14:19

Das Gerechtigkeitsempfinden ist bei Neurotypischen wohl oft weniger ausgeprägt als bei meiner einer. Ich hab inzwischen schon so einige juristische Erfahrung (bis zum EGMR - und gewonnen!) und da wird mit allen Tricks gearbeitet. Speziell Juristen haben die Angewohnheit Recht immer so auszulegen wie es ihnen in den Kram passt, auch wenn alles erstunken und erlogen ist. Es geht nicht um Recht und Gerechtigkeit, sondern ums Gewinnen und Rechnung schreiben können.

Dem steht mein übermäßiges Misstrauen und Selbstverteidigungsmentalität entgegen: ich kommuniziere geschäftlich nur schriftlich und dokumentiere jeden Vorgang. Für den Fall eines nicht-schriftlichen Vorgangs fertige ich ein Gedächtnisprotokoll mit Datum, Uhrzeit und was geschehen ist. Das macht Eindruck wenn es vor Gericht kommt, fast wie eine Zeugenaussage, denn im Zivilprozess gibt es kein "in dubio pro reo". Ich argumentiere auch immer in einem juristischen Tonfall und gebe Paragraphen aus dem BGB, StGB etc. an. Das macht auf den Geschäftspartner auch Eindruck, nach dem Motto "Oh, der kennt seine Rechte". Eine juristische Laienbildung kann ich nur empfehlen, was sogar besser ist als ein Jurastudium, denn manche Vermieter sind inzwischen auch so schlau an Juristen und Lehrer gar nicht mehr zu vermieten, weil die eben oft sehr streit- und prozesslustig sind und wenn neurotypisch eben auch dann noch wenn sie eigentlich im Unrecht sind.
Verständnis ist für den Traumatisierten, was die niedrige Bordsteinkante für den Rollstuhlfahrer.
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Re: Die Banalität des Bösen oder was ist eigentlich Neurotypisch (Normal)?

Beitragvon schizo-ID » 26. Januar 2024, 13:42

ToWCypress81 hat geschrieben:Heranwachsende die als Kind nicht gefordert wurden in den Konflikt zu gehen und daher nicht lernten sich durchzusetzen, erlangen kein Gefühl anderen gegenüber etwas bewirken zu können. Die Perspektive entwickelt sich dahingehend erst gar nicht. Somit auch nicht der Wille über die Grenzen anderer zu gehen.

Ich stimme dem teilweise zu. Wer nie gelernt hat, in Konflikt zu gehen - und Konflikte zu lösen - wird im Falle eines Konfliktes nicht über das nötige Selbstbewusstsein bzw. eine ausreichende Selbstwirksamkeitserwartung verfügen, um für sich einzustehen. Allerdings gibt es gerade unter Amokläufern viele, die in ihren Manifesten oder Tagebüchern beschreiben, genau aus diesem Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins heraus (z.B. den Mitschülern, Lehrern, politischen Gegnern oder Migranten gegenüber) so viele Menschen wie möglich töten zu wollen. D.h. aus dem mangelnden Selbstbewusstsein heraus werden die Grenzen anderer aufs Extremste verletzt, so wie die eigenen Grenzen (wenn auch nur subjektiv empfunden) von diesen anderen missachtet wurden.

ToWCypress81 hat geschrieben:das ich darauf gar nicht einzugehen brauche. Da eine Kündigung auf Eigenbedarf als Drohung um einen Mietvertrag durchzusetzen unzulässig ist.

In einer ähnlichen Situation habe ich mal genauso gedacht. "Musst du nicht drauf eingehen, dir kann nichts passieren." Das hat sich im Nachhinein als Fehler erwiesen. Nicht jeder, der im Recht ist, bekommt vor Gericht auch Recht. Ohne dir Angst machen zu wollen: Vermieter haben gute Möglichkeiten, unliebsame Mieter loszuwerden, neben Anmelden von Eigenbedarf z.B. vorgeblich notwendige bauliche Maßnahmen (da werden dann z.B. Strom und Wasser abgestellt oder Stützpfeiler überall in die Wohnung gebaut).
Rückblickend wäre es in meinem Fall ratsam gewesen, sofort bei den ersten Anzeichen dagegen vorzugehen.

orinoco hat geschrieben:ich kommuniziere geschäftlich nur schriftlich und dokumentiere jeden Vorgang. Für den Fall eines nicht-schriftlichen Vorgangs fertige ich ein Gedächtnisprotokoll mit Datum, Uhrzeit und was geschehen ist.

Das ist wirklich hilfreich und wird auch von Anwälten empfohlen.
Interim, dum trahimus, dum inter homines sumus, colamus humanitatem. (Seneca)

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Re: Die Banalität des Bösen oder was ist eigentlich Neurotypisch (Normal)?

Beitragvon ToWCypress81 » 27. Januar 2024, 14:24

Grenzen sind nichts wert, wenn diese auf Habsucht, Selbstsucht und Unterdrückung anderer aufgebaut sind.
Grenzen die darauf aufgebaut sind, sind keine Grenzen.
Ich denke, wenn ein Mensch (wie ich) das kapiert hat, kann auch solch ein Mensch der immer Folge leistet (immer das glaubt was andere sagen, wie ich) - gedankliche die ihm/ihr aufgesetzten Grenzen auflösen.
Selbst wenn diese Person (wie ich) nie in einem Konflikt von einer Verteidigungshaltung zu einer Angriffshaltung Dinge für sich entschieden hat.

Demnach geht es vielleicht gar nicht um ein können oder nicht können, sondern nur um ein Wissen - zur Realität hinter gesellschaftlichen Schilderwelten/Regularien/Oberfläche (gegebenfalls Nettigkeiten/Generosität) die auf menschlicher Habsucht, Selbstsucht und Unterdrückung anderer aufgebaut ist.

schizo-ID hat geschrieben:Nicht jeder, der im Recht ist, bekommt vor Gericht auch Recht.
Da hast du sicherlich recht. Kommt denke ich aber auch drauf an, mit welchem Wissen/Unwissen diese Person jenen Konflikt provoziert hat und wie sie an einen herantritt.
Mit einem Fingerspitzengefühl an die Sache ran zu gehen und jede Ab- und Unwägbarkeit ohne sich dabei selbst zu unterminieren durchzugehen, und einen Vergleich anzustellen (wie/wo es besser/schlechter sein könnte) ist denke ich zudem nie falsch.

schizo-ID hat geschrieben:genau aus diesem Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins heraus[...] D.h. aus dem mangelnden Selbstbewusstsein heraus
Ich verstehe was du meinst. Dieses Gefühl kenne ich nur zu gut, und weiß welche Kreise das in der Psyche ziehen kann. Dessen man sich dabei und selbst am Ende überhaupt nicht bewusst ist. Was Grenzen und Grenzverletzung betrifft.

orinoco hat geschrieben:Für den Fall eines nicht-schriftlichen Vorgangs fertige ich ein Gedächtnisprotokoll mit Datum, Uhrzeit und was geschehen ist.
Das ordne ich aufgrund entsprechender Negativerfahrungen, die wahrscheinlich ohne Protokoll in eine ganz andere Richtung verlaufen wären mittlerweile auch als äußerst wichtig ein. Das ich für mich zu einer gleichwertigen Routine wie Essen und Trinken in mein Leben integrieren will, ohne dies mehr als Zwanghaftigkeit oder sinnloses Unterfangen abzuspeichern.
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Re: Die Banalität des Bösen oder was ist eigentlich Neurotypisch (Normal)?

Beitragvon Herbert » 28. März 2024, 19:59

Wow was für ein Thema!!!

Das Böse an sich ist in Polarität zum Guten an sich?

Für mich ist das zu Schwarz-Weiß. Ich glaube nicht an Beides!
Genau so geht es mir mit Normal. Das Wort beleidigt meine Geist! Wir habe ja viel von den alten Griechen und Römern übernommen....

Ich komme aus der Provinz. Da war es normal, dass auf einer Kirmes die Jungen aus dem Ort sich mit den Jungen
aus dem Nachbarort prügelten.

Heute denke ich: Sind die Anderen böse? Und was denkt die Person, die eben denkt, dass Andere böse sind über sich selbst?
Das finde ich interessant.
Und männlich/weiblich/divers finde ich einen guten Weg!

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Re: Die Banalität des Bösen oder was ist eigentlich Neurotypisch (Normal)?

Beitragvon Geextah » 29. März 2024, 08:09

Übergriffig (nicht einvernehmlich) herbeigeführte Qual, Leid und Schmerz aus traditionellen, religiösen, idiologischen oder bspw white privilege Gründen usw Mensch oder Tier anzutun, ist nichts subjektives.

Unter "Banalität des Bösen" verstehe ich:
Sich seiner schadhaften Taten nicht bewusst zu sein. Es als etwas "normales" "selbstverständliches" betrachten sich schadhaft-übergriffig anderen gegenüber verhalten zu "dürfen".

Kein Mensch, egal wie er/sie sich verhält macht Dinge vorsätzlich um "böse" zu sein. Jeder Mensch denkt - egal in welcher verkorksten Denkweise - das dies für sie/ihn erstmal richtig ist.

Kein Mitgefühl zu haben macht niemanden "böse".
Nur die Taten und das damit übergriffig herbeigeführte Leid, Qual und Schmerz führt dazu, das andere Wertungen aufstellen können ob jemand schadhaft für andere ist, oder nicht.


Natürlich ist auch dein Beispiel der Übergriffigkeit etwas subjektives. Wenn ich bspw. der Meinung bin auf dem Pfad "des Guten" zu wandeln und ich dir dafür wehtun muss, weil du diesen Pfad nicht verstehst oder ihm im Weg stehst, dann ist das Resultat daraus subjektiv; für mich aber dennoch etwas Gutes.

Das was du dennoch als negativ ersiehst, ist nur einseitig gedacht - aus der Sicht desjenigen der ungewollt leidet.

Wenn mir ein Obdachloser begegnet und ich ihn nicht einmal ansehe oder einfach durch ihn durchsehe, weil seine Existenz mich nicht interessiert, er aber Geld oder Essen benötigt. Ist das dann etwas böses?

Im Endeffekt relativierst du in deinem späteren Text, dass das Böse nichts subjektives wäre. Du beschreibst dann nämlich, dass es doch etwas subjektives ist - aben als "Banalität des Bösen".

Und ob andere im weitesten Sinne Wertungen aufstellen, ob man böse ist oder nicht, kann einem imnormalen Alltag doch ziemlich egal sein. Außer man ist erpicht auf die Ideenwelt anderer.
"Erfindungen bedürfen der ungestörten Ruhe, des stillen, beständigen Nachdenkens und eifrigen Erprobens, und all dies gibt nur die Einsamkeit, nicht die Gesellschaft der Menschen."
- Gerolamo Cardano -


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