Selbsthilfe bei SPS

Ein Leben in (völliger) Isolation? Du bist sehr introvertiert, ängstlich-vermeidend oder gar schizoid? Wie gehst du damit um?
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ToWCypress81
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Re: Selbsthilfe bei SPS

Beitragvon ToWCypress81 » 3. März 2023, 21:00

bluelagoon hat geschrieben:Darf ich fragen, ob bzw. was und wenn ja wie dir diese Erkenntnis nützt? Also die Erkenntnis/Vermutung, dass es bei dir v.a. auf Angst vor Ablehnung und Kritik basiert? Denn bei mir ist es auch so, aber mir war eigentlich immer klar, dass das der Grund ist oder zumindest ein Hauptgrund (ein anderer Hauptgrund ist hohe Sensibilität, also nicht nur im Sinne von Schüchternheit, sondern eben auf alle möglichen Reize, und dann der Umgang mit den Reizen, so wie es z.B. auch Austisten und ADHSlern geht).

Diese Erkenntniss nützt mir sehr viel.
Ich habe das Gefühl dadurch zu mir zu stehen. Ehrlich zu mir zu sein. Und mich dadurch endlich selbst zu akzeptieren.
Ich habe alles ängstliche, gefühlsvolle, schüchterne und sensible immer für mich abgelehnt.
Da ich vor allem von meinem Vater alles was in seinem anerzogenen Bild als negativ kanontiert schwach galt, ich dadurch als abwertend verstand.
Auch alle Vorbilder die ich hatte haben dieses Wertebild vermittelt.

Von daher habe auch ich alles ängstliche, gefühlsvolle, sensible und schüchterne immer als negativ angesehen, und wollte daher immer das Gegenteil davon sein.
Was nie perfekt für mich funktionierte. Da ich wie ich mittlerweile anerkannt habe, sehr sensibel, gefühlvoll bin und auch Ängste habe.
Das damals in diesem nicht anerkennen zu starken Minderwertigkeitskomplexen, und dadurch zu gedanklich zwanghaft selbstvernichtenden Bewertungen und Ängsten mir gegenüber führte. Ich sprach früher immer davon "das ich gegen mich arbeite". Anders konnte ich mir und anderen mein Denken nicht erklären, da ich mich damals nicht verstand.

Im Grunde diese Angst vor Ablehnung und Kritik bei mir die Angst ist, das andere mich als eben solches ansehen könnten, und daraufhin entsprechend kritisiert werde. Ich durch diese Angst und mögliche Kritik davor Menschen gegenüber immer mit Vorurteilen, Paranoia und gedanklichen Bewertungen begegnete. Was durch diese gedachte Kritik oder Angst wie mich andere sehen oder über mich denken könnten immer zu großer Wut und Hass anderen gegenüber führte, ohne das ich je dahingehend angegriffen oder gemobbt wurde. Nur alleine die Vorstellung führte bei mir dazu. Kein Mobbing oder Angriffe vielleicht aber auch weil ich durch dieses ständige Mindset (Angst davor) dem dadurch immer Vorwegging und mich somit schützte. Im Sinne eines Schutzmechanismus.

Dieses Denken über vermeintliche "Schwächen" bei mir also in erster Linie ein Minderwertigkeitskomplex ist. Und durch die Anerkennung das ich diese Ängste habe, durch z. B. meine Mutter ängstlich und vermeidend geprägt wurde, ich das nun somit besser anerkennen kann und mich dadurch akzeptieren kann.

Ich habe gelesen und auch selbst von Therapeuten mitbekommen, Psychotherapeten argumentieren teilweise, dass die Ebene der Angst die weiterentwickelte/reifere sei. Weil man da das Problem "ohne Schutzschild" sehen würde, wie es wirklich sei, und man dann quasi "nur noch" die Angst und ggf. Depression behandeln muss.
Bei mir könnte man das so sehen, ja.
Da mein Schutzschild ein mehr oder weniger schizoides Verhalten war. Und nun die Dinge anerkenne und mir bewusst werde die hinter dem Schutzschild stehen.

Wenn man aber schon sein ganzes Leben über alles probiert hat, die Ängste loszuwerden und sehr darunter gelitten hat, dann aber seit den schizoiden Anteilen zumindest etwas Erleichterung verspürt und besser zurecht kommt
Nein. Bei mir war das genaue Gegenteil der Fall.
Bis vor ca 6 Jahren war das eine reine Deckelung, Unterdrückung und nicht-Anerkennung meiner Ängste.
Und nun da ich die Ängste langsam anerkenne und mich selbst lerne zu akzeptieren, damit auch weniger Leid verspüre.
Sozusagen lege ich nun immer mehr meine Schutzmechanismen ab, diese Schutzmechanismen gar zu meiner Störung führten. Und nun da ich mir jetzt selbst mehr bewusst werde, mich verstehen lerne und damit meine Prägung akzeptiere, diese Störung mehr und mehr verschwindet und stattdessen meine wahre Persönlichkeits-Struktur des Ängstlich-Vermeidenden zum Vorschein kommt. Diese Struktur bzw Bindungs-Prägung meine eigentliche Persönlichkeit ist. Und der Schutzmechanismus sozusagen meine Störung war.
"Vergleiche dich niemals mit anderen. Vergleiche dich immer nur mit deinem früheren Ich". - R. M.

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Re: Selbsthilfe bei SPS

Beitragvon 2ost » 3. März 2023, 21:54

Sehe gerade dass das hier der öffentliche Bereich ist. Mache darum eine PN aus meiner Antwort.

bluelagoon
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Re: Selbsthilfe bei SPS

Beitragvon bluelagoon » 6. März 2023, 19:32

@ToWCypress
Danke für deine Schilderungen, echt interessant! Freut mich, dass es dir relativ gesehen jetzt besser geht als früher.

Bei mir gibts zwar Ähnlichkeiten, aber andere Reihenfolge/Verlauf. Und dass meine Eltern Schüchternheit/Zurückhaltung ablehnen war zum Glück eher nicht der Fall. Wobei meine Eltern halt beide ruhig sind, aber gar dabei gar nicht schüchtern. Bzgl. sowas wie berufliche Kontakte knüpfen/Vorträge halten, sowas konnten sie relativ gut und hat für sie schon einen Stellenwert, sie setzen das mit Bildung/Reife gleich, dass man sowas kann. Insgesamt warfen sie mir das aber nicht vor, nur mein Vater sagte mal, ich solle nicht so "duckmäuserisch" sein. Aber eigentlich sind sie selbst eher ruhig und zurückgezogen, nur halt eben nicht schüchtern.

Ich haber immer gewusst/gemerkt, dass ich schüchtern bin, aber mir zugestanden dass ich so sein darf habe ich auch erst ziemlich spät. Wenn man schüchtern ist, kriegt man das die gesamte Schul-/Ausbildungs-und Studienzeit über ja von Lehrern und Mitschülern rückgemeldet, man wäre zu ruhig und bekommt das Gefühl, man sei nicht OK wie man ist und müsse sich ändern. Es heißt ja auch immer, Ängste/Phobien lassen sich zumindest vergleichsweise zu anderen psychischen Problemen erfolgreich behandeln. Dadurch gerät man aber erst Recht unter Druck, wenn das bei einem selbst nicht funktioniert. Ich habe erst so ab 25 Leute kennengelernt, die mich trotzdem bzw. gerade eben deshalb mögen (geglaubt hatte ich das denen zunächst nicht, wie kann man mich nur mögen?)
Also konnte ich mich ab da besser als die akzeptieren, die nun mal introvertiert und schüchtern ist. Mir hat auch geholfen über Asperger und ADS zu lesen bzw. Neurodiversität, und die Annahme, dass man an diesen Dingen wenig ändern kann/dass man diese Veranlagung wenn dann seit Geburt hat. Das Konzept finde ich interessant, und da ich das echt schon immer habe, vermute ich bei mir auch Anteile davon.

Aber ich war auch irgendwie wütend, dass mein ganzes bisheriges Leben so ein "struggle" sein musste, ich mich ständig hatte anstrengen müssen und es doch nie geklappt hat, nicht mehr schüchtern zu sein. An meinen Schüchternheits-symptomen hat sich nichts geändert seit ich mich so sein lassen darf wie ich bin, aber ich hasse mich nicht mehr so sehr dafür. Aber mein Interesse an anderen Menschen hat halt vermutlich dadurch etwas nachgelassen (=schizoider Anteil), da diese für mich ja jetzt weniger relevant sind. Früher musste ich ja ständig versuchen ihnen zu "gefallen", um ihrem negativen Urteil ("Boah ist die schüchtern=blöd!") zu entgehen. Ich habe früher quasi alles getan, damit sie bloß nicht merken, dass ich schüchtern bin. Jetzt ist das ja nicht mehr so relevant für mich, sondern eher "Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sichs frei und ungeniert": Ich habe einfach gemerkt, dass eh jeder nach einer gewissen Zeit dahinter kommt, dass ich schüchtern bin, und sobald sie es wissen, lehnen einen die meisten auch ab, aber da ich mich ja auch nicht mehr so für die Leute interessiere, finde ich dieses Stadium immer noch angenehmer als sich ständig zu verstellen.

Aber dass es uns beiden bessser geht als früher ist doch die Hauptsache, auch wenn die Reihenfolge einbsischen verschieden ist :)

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Re: Selbsthilfe bei SPS

Beitragvon ToWCypress81 » 7. März 2023, 09:02

bluelagoon hat geschrieben:Bei mir gibts zwar Ähnlichkeiten, aber andere Reihenfolge/Verlauf. Und dass meine Eltern Schüchternheit/Zurückhaltung ablehnen war zum Glück eher nicht der Fall. [...] Insgesamt warfen sie mir das aber nicht vor, nur mein Vater sagte mal, ich solle nicht so "duckmäuserisch" sein.

Tatsächlich sagten mir meine Eltern nie wie ich zu sein habe.
Als Kind war ich auch sehr schüchtern, sensibel, gefühlvoll und ängstlich.
Aber mit ca 13/14 hatte ich das Gefühl, das ich das vor allem durch meine Schulklassen in denen ich war nicht mehr sein durfte.
Bei meinem Vater kam das alles unterschwellig.
Wie gesagt nicht gegenüber mir, auch nicht gegenüber schüchternen Leuten, aber immer wenn er über Sensibilität, Gefühle, Ängste, Homosexuelle, Transsexuelle, Andersartige, Dunkelhäutige, Juden, Muslime sprach bzw alles was nicht in sein anerzogenes Weltbild seiner Nazi-Eltern passte, war da immer ein sehr negativer, verachtender und belächelnder Unterton dabei.
Meine Mutter hat nie diesen Unterton oder Zweideutigkeiten in ihrem Sprachgebrauch gehabt. Dennoch hat sie sich Meinungen, egal von wem diese stammten, meistens angepasst. Sie bezog nie klar Stellung zu Dingen von denen man denken könnte das es ihre Meinung war. Sie war immer unsicher in allem, in allem Ängste sehend, stark Konflikt-vermeidend und oft jeder/jedem auf die eine oder andere Art recht-machend.

Ich denke dieser verächtliche Grundton meines Vaters zu Gefühlen, Sensibilität usw, das ängstlich-vermeidende meiner Mutter, und das nicht schüchtern, sensibel und ängstlich sein in der Schule bzw vor den Kameraden hat dazu geführt, das ich ab meinem 14. Lebensjahr meine Persönlichkeit komplett gedeckelt habe, und daher nicht mehr so sein wollte wie ich ursprünglich bin.
Stattdessen benahm ich mich ab da nur noch kühl, abweisend und unnahbar. Was in dieser Art wie ich rüberkam, ich emotional dadurch empfand und für was ich mich ab dem Zeitpunkt interessierte dem eines Schizoiden wahrscheinlich noch am nächsten kam.

Erst 2006 als das erste Kind meiner Schwester auf die Welt kam, brach ich ein wenig damit. Da ich nicht wollte das mich das Kind so sieht.

Aber ich war auch irgendwie wütend, dass mein ganzes bisheriges Leben so ein "struggle" sein musste, ich mich ständig hatte anstrengen müssen und es doch nie geklappt hat, nicht mehr schüchtern zu sein.
Das fühle ich sehr. So ähnlich ging und geht es mir auch. Ich hatte auch permanent das Gefühl ständig gegen mich ankämpfen zu müssen, um auch ja irgendwie "richtig" oder "normal" im Sinne dieser ganzen vermeintlich so perfekten selbstbewussten Menschen zu sein, und nicht verstehen konnte das ich scheinbar überhaupt nicht so sein kann und bin wie die.

An meinen Schüchternheits-symptomen hat sich nichts geändert
Bei mir persönlich ist meine Schüchternheit mit ca 16/17/18 immer mehr weggegangen, da ich mich zu sehr mit gegenteiligen umgeben und beschäftigt habe.
Meine genetisch veranlagte Sensibilität und angeprägtes unsicheres Vermeidungsverhalten hat sich aber nie verändert. Ausser das ich es mittlerweile anerkenne und lerne zu akzeptieren.

Aber mein Interesse an anderen Menschen hat halt vermutlich dadurch etwas nachgelassen (=schizoider Anteil), da diese für mich ja jetzt weniger relevant sind. Früher musste ich ja ständig versuchen ihnen zu "gefallen", um ihrem negativen Urteil ("Boah ist die schüchtern=blöd!") zu entgehen. Ich habe früher quasi alles getan, damit sie bloß nicht merken, dass ich schüchtern bin. Jetzt ist das ja nicht mehr so relevant für mich, sondern eher "Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sichs frei und ungeniert"
Ja das kenne ich. Das ist bei mir genauso. Ich verstelle mich im Gegensatz zu früher (bis vor ca 24 Jahren) auch nicht mehr so, das dabei erzwungene "Freundschaften" (die keine wirklichen waren) zustande kamen. Egal wie man das nun nennt, habe auch ich ein grundsätzliches Desinteresse zu Menschen. Zum Teil ist das so, das ich schon ein starkes Vertrauen und gleichartig/wertiges Mindset und Interessen zu Menschen haben muss um selbst interesse zu Menschen zu entwickeln. Zum anderen sind das auch stark vorurteilsbelastete Ängste (Ablehnung) und Gedanken (Bewertungen) die ich Menschen gegenüber habe.

Aber dass es uns beiden bessser geht als früher ist doch die Hauptsache, auch wenn die Reihenfolge einbsischen verschieden ist :)

Das freut mich auch. Auch finde ich es schön mich mit dir da zu unterhalten. Klingt sehr ungezwungen und locker.

Danke für deine offenen und ehrlichen Schilderungen.
"Vergleiche dich niemals mit anderen. Vergleiche dich immer nur mit deinem früheren Ich". - R. M.


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