Die Mär vom empathielosen Autisten

Ein Leben in (völliger) Isolation? Du bist sehr introvertiert, ängstlich-vermeidend oder gar schizoid? Wie gehst du damit um?
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ToWCypress81
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Die Mär vom empathielosen Autisten

Beitragvon ToWCypress81 » 31. Dezember 2020, 09:02

Die Mär vom emphatielosen Autisten
Hervorgehend aus einer Konferenz mit und über Autisten zum Thema autistisches Mitgefühl und Gefühlswelt
von Konrad Lehmann

Das Eine, was jeder über Autisten zu wissen glaubt, ist: Sie haben keine Empathie. Laut einer Umfrage ist rund die Hälfte der "neurotypischen" Befragten dieser Ansicht. Interessanterweise sind etwa drei Viertel der befragten Autisten ganz anderer Ansicht und halten sich selbst für sehr empathisch.

Eine Konferenz im polnischen Toruń vermittelte neue Einblicke in die Gefühlswelt von Autisten

Die Mitveranstalterin Joanna Ławicka hatte ein rundes Dutzend Autisten auf die Bühne gebeten und ihnen die einfache Frage gestellt: "Hast Du Empathie?" Als gefühlskalten Roboter empfand sich keiner der Diskutanden (was wohl logisch in der Natur des Empfindens liegt). Mehrere gaben eigene Erlebnisse zu hören und reflektierten über die Unterschiede zwischen neurotypischen und neurodiversen Menschen. So erzählte Marek, wie er Zeuge eines Unfalls war, bei dem sich jemand eine tiefe Schnittwunde in der Wade zuzog. Sieben, acht "normale" Menschen standen daneben, rangen die Hände und litten untätig mit dem Verletzten. Marek verband notdürftig die Wunde und sorgte dafür, dass einer der Umstehenden den Notarzt rief.

So stellte Michał Tadeusz Handzel, ein großer, kräftiger, vollbärtiger Mönch in weißer Kutte, einige der Philosophen vor, von denen man mit gutem Grunde annehmen kann, dass sie Autisten waren: Baruch Spinoza, Jeremy Bentham, Immanuel Kant, Ludwig Wittgenstein. Dürfte man noch Arthur Schopenhauer dazunehmen, wäre das Pantheon weitgehend komplett. Sollten die größten Philosophen des Abendlands tatsächlich Asperger-Autisten gewesen sein, dann hätte das vielleicht doch etwas mit Empathie zu tun. Aber dazu weiter unten.

Theoretiker der Embodied Social Cognition haben die gewagte Idee geäußert, dass die vielgerühmte "Theory of Mind", also die Fähigkeit, über innere Zustände anderer Menschen nachzudenken, im Alltagsleben kaum eine Rolle spielt. Wenn wir stets intuitiv, per Spiegelung und somatische Marker, wissen, wie es dem Gegenüber geht, und ebenso implizit wissen, wie wir darauf richtig reagieren: Dann brauchen wir darüber nicht nachzudenken. Neurotypische Menschen schaffen das alles mit Links ganz ohne Denken. Man könnte provokant sagen: ohne Empathie.

Aber wenn dieser Automatismus nicht funktioniert, weil er an irgendeiner Stelle unterbrochen ist, dann muss man das explizite System bemühen und Theory of Mind betreiben: Was will der Andere vermutlich? Wie würde er reagieren, wenn ich so oder so antworte? Was ist angemessen?

Ein Autist fühlt die Mimik, die Situation des Anderen vermutlich genauso wie ein Neurotypischer. Aber aus unklaren Gründen, aus irgendeiner Verirrung der Hirnentwicklung, sattelt darauf kein prozeduraler Automatismus. Die Masse der Sinneseindrücke, insbesondere der Tsunami an sozialen Signale fallen für ihn nicht in einfache, erlernte Muster. Sie überfordern ihn, weil sie bewusst verarbeitet sein wollen. Darum denkt ein Autist vermutlich erheblich mehr über das Innenleben seines Gegenübers nach als umgekehrt. Er hat vermutlich eine bei Weitem bessere Menschenkenntnis. Ist das dasselbe wie: mehr Empathie? Oder was meinen wir mit diesem Wort überhaupt?

Und ist dies der Grund, warum die größten Philosophen Autisten waren? Weil ihnen das scheinbar Selbstverständliche rätselhaft war? Weil sie von Jugend an gezwungen waren, Automatismen durch Denken zu ersetzen? Weil sie die Welt nicht unwillkürlich auf sich bezogen, nicht als Raum ihrer Handlungsmöglichkeiten wahrnahmen, sondern an sich, als etwas, das man Verstehen möchte?

Danach bat Joanna Ławicka um Fragen. Es gab keine, aber ein autistischer Teilnehmer, eine hagere, eigenwillig gekleidete Gestalt, ergriff das Mikrophon. Auf der Treppe zur Bühne langsam hin und her schreitend, abgehackt und sichtlich nach Worten ringend, haderte er mit dem Schicksal: "Warum war mein eigenes Leiden nicht genug? Warum müssen immer noch so viele leiden? Warum hört es nicht auf? Wir müssen dafür sorgen, dass das Leiden aufhört!" Er weinte dabei, offenkundig überwältigt von der Erinnerung an sein eigenes Leid, mehr aber noch vom Gedanken an das Leiden anderer.

Der Teilnehmer Stiof, der in seinem eigenen Vortrag gerade noch hingewiesen hatte auf die Narben auf seiner Stirn, die er davon hat, dass er als Jugendlicher den Kopf gegen die Wand schlug, wenn die Reizüberflutung zu viel wurde, ging stracks durch den Saal zu dem jungen Mann in Schwarz und nahm ihn in den Arm.

So viel zur Empathielosigkeit der Autisten.
(Konrad Lehmann)

Der komplette Artikel:
https://www.heise.de/tp/features/Die-Maer-vom-empathielosen-Autisten-4501615.html
"Vergleiche dich niemals mit anderen. Vergleiche dich immer nur mit deinem früheren Ich". - R. M.

tiffi
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Re: Die Mär vom empathielosen Autisten

Beitragvon tiffi » 31. Dezember 2020, 10:51

Sehr interessant, vielen Dank fürs Einstellen.

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kritisches_Auge
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Re: Die Mär vom empathielosen Autisten

Beitragvon kritisches_Auge » 31. Dezember 2020, 11:01

In diesem Artikel habe ich mich wiedererkannt, bei der Aussage über die fehlenden Automatismen ging mir ein Licht auf.

SystemZwang

Re: Die Mär vom empathielosen Autisten

Beitragvon SystemZwang » 31. Dezember 2020, 11:35

Es ist sicher viel erlernt an sozialen Gepflogenheiten. Auch bei den neurotypischen Mechanismen. Das können auch Autisten. Die Frage ist, inwiefern dieses Nachdenkenmüssen - was halt oft mit Fokus auf Logik und "objektivem" Nutzen passiert - daran hindert, die wahren "Gefühle" von andern Menschen zu verstehen?

Weil da werden dann nämlich schon manche für neuroptyische Menschen "normalen" Sachen als falsch/komisch/unverständlich empfunden - auch mit Nachdenken. So habe ich zumindest bisher die wenigen Autisten die ich (nur online und laut eigener Auskunft Autist) kennenlernte empfunden. Wobei das glaube ich auch eher Asperger waren.

Die haben da so ne gewisse eigene Logik und denken dass das objektiv richtig wäre und ziehen darauf ihre Erklärungen auf. Das funktioniert prima, wenn andere Menschen zufällig auch diese andere Logik teilen. Aber wenn die andern Regeln folgen wird es schwer für den Autist, diese nachzuvollziehen. Da das ja dann falsch/komisch ist. Da müsste dieser Mensch im speziellen Einzelfall sich schon auch mit Psychologie befassen und dafür interessieren - dass er da nachforschen würde und zur Erkenntnis gelangen würde, dass andere Menschen auch anders funktionieren.

Da auch Philosophen (die angeblich Autisten gewesen sein sollen) erwähnt waren: Die labern auch nur so vor sich hin und kommen oft zu Schlüssen, die ich nicht teilen kann. Wegen anderer Herangehensweise.

Sybillina

Re: Die Mär vom empathielosen Autisten

Beitragvon Sybillina » 31. Dezember 2020, 12:02

Vielen herzlichen Dank für den Artikel. Interessant finde ich auch die Unterscheidung zwischen "Menschenkenntnis" (darunter kann ich mir etwas vorstellen) und "Empathie" (ist mir ein Rätsel), die hier aufgeworfen wird.

Auch über das "Denken" als solches - ja: denke ich noch nach. Ohne Worte.

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Re: Die Mär vom empathielosen Autisten

Beitragvon tiffi » 31. Dezember 2020, 12:47

ToWCypress81 hat geschrieben:von Konrad Lehmann(...)

Theoretiker der Embodied Social Cognition haben die gewagte Idee geäußert, dass die vielgerühmte "Theory of Mind", also die Fähigkeit, über innere Zustände anderer Menschen nachzudenken, im Alltagsleben kaum eine Rolle spielt. Wenn wir stets intuitiv, per Spiegelung und somatische Marker, wissen, wie es dem Gegenüber geht, und ebenso implizit wissen, wie wir darauf richtig reagieren: Dann brauchen wir darüber nicht nachzudenken. Neurotypische Menschen schaffen das alles mit Links ganz ohne Denken. Man könnte provokant sagen: ohne Empathie.

Aber wenn dieser Automatismus nicht funktioniert, weil er an irgendeiner Stelle unterbrochen ist, dann muss man das explizite System bemühen und Theory of Mind betreiben: Was will der Andere vermutlich? Wie würde er reagieren, wenn ich so oder so antworte? Was ist angemessen?
Ich konnte in diesem Zugang über denken und in der Theory of Mind viel für mich erkennen.
Mir kam es oft so vor, als müsste ich die Welt / auch das innnere Verständnis oder andere Menschen für mich
erstmal mir theoretisch erschließen.

ToWCypress81 hat geschrieben:von Konrad Lehmann(...)

[b]Ein Autist fühlt die Mimik, die Situation des Anderen vermutlich genauso wie ein Neurotypischer. Aber aus unklaren Gründen, aus irgendeiner Verirrung der Hirnentwicklung, sattelt darauf kein prozeduraler Automatismus. Die Masse der Sinneseindrücke, insbesondere der Tsunami an sozialen Signale fallen für ihn nicht in einfache, erlernte Muster. Sie überfordern ihn, weil sie bewusst verarbeitet sein wollen. Darum denkt ein Autist vermutlich erheblich mehr über das Innenleben seines Gegenübers nach als umgekehrt. Er hat vermutlich eine bei Weitem bessere Menschenkenntnis. Ist das dasselbe wie: mehr Empathie?
Diese intuitive Verarbeitung und unmittelbare Reaktion auf das, was von anderen Menschen gesendet wird,
fiel/fällt mir auch eher schwer. Wobei es Energie und Ausdruck gibt, die eher direkter sind (direkte Emotionen)
und andere, die etwas komplizierter und sozialer / kultureller sind, die zweiten finde ich viel schwerer zu erfassen.

Dafür kenne ich dann dann, ersatzweise?, das viele Nachdenken über das eigene Innenleben und das anderer
und mir das irgendwie erklären müssen, ggf. auch anhand von psychologischen Modellen, was da jetzt los sein
könnte. Das "Theory of Mind" finde ich bei manchen Konstellationen schon wichtig, um meine eigene Irritation
und Unverständnis dann aufzulösen.

Zeitweise dachte ich dann eher, die anderem sind ja unreflektiv, mit denen stimmt was nicht, wenn die einer Theory
of Mind eher nicht folgen oder diesen Weg nicht gehen oder brauchen.

Und ich dachte gar nicht so sehr, dass mir da einerseits auch etwas sehr unmittelbares oder intuitives fehlt. :kein Plan:
Ich weiß aber gar nicht, ob man das mit Mangel, hier oder da, erklären kann.
Und bei mir besteht auch keine Autismusdiagnose, und doch erscheint manches eher vertraut.
ToWCypress81 hat geschrieben:von Konrad Lehmann(...)

Weil sie die Welt nicht unwillkürlich auf sich bezogen, nicht als Raum ihrer Handlungsmöglichkeiten wahrnahmen, sondern an sich, als etwas, das man Verstehen möchte?
Dieser Begriff "Raum ihrer Handlungsmöglichkeiten" wäre mir wohl auch eher fremd.

Sybillina

Re: Die Mär vom empathielosen Autisten

Beitragvon Sybillina » 1. Januar 2021, 15:26

tiffi hat geschrieben:Zeitweise dachte ich dann eher, die anderem sind ja unreflektiv, mit denen stimmt was nicht, wenn die einer Theory
of Mind eher nicht folgen oder diesen Weg nicht gehen oder brauchen.

Und ich dachte gar nicht so sehr, dass mir da einerseits auch etwas sehr unmittelbares oder intuitives fehlt. :kein Plan:
Ich weiß aber gar nicht, ob man das mit Mangel, hier oder da, erklären kann.
Ich hänge hier noch, und auch an dem Artikel.

Ich glaube, daher - was Du formuliert hast, tiffi - kommt meine Arroganz, die ich schon als Kind hatte. "Warum können die nicht über was nachdenken und verstehen, warum Menschen wie funktionieren?"
Tja, wenn "die" - ich empfand es so, als ob das alle um mich herum betrifft - das Denken allerdings nicht brauchen, sondern es intuitiv können ... Dann ist das natürlich was ganz anderes.

Dann bin ich es, die zwar eine Krücke (das Denken) braucht, weil sie sozial sonst nicht funktionieren kann; die aber umgekehrt oft mehr Überblick hat als andere (aus eben demselben "Denken" heraus, das nicht Luxus und Spielerei, sondern Notwendigkeit ist).

Ein schöner Ansatz wäre es, wenn man es gegenseitig so sehen könnte, dass nicht den anderen oder einem selbst etwas fehlt, sondern jeder eben anders ausgestattet ist. Wobei das wieder nach dem sehr gezwungenen "anders fähig" klingt. :verwirrt:

Der Artikelverfasser hat geschrieben:Weil sie die Welt nicht unwillkürlich auf sich bezogen, nicht als Raum ihrer Handlungsmöglichkeiten wahrnahmen, sondern an sich, als etwas, das man verstehen möchte?
Wie, "auf sich bezogen"? Das kann ich einfach nicht verstehen, wie ich es auch drehe. Heißt das, andere Leute "beziehen die Welt auf sich"? Was heißt das?

Es würde vielleicht erklären, dass andere Menschen mehr am Leben hängen als ich bzw. im Leben Ziele haben. Wenn sie die Welt automatisch in Bezug zu sich setzen ...? Vielleicht wollen sie dadurch auch der eigenen Person mehr Relevanz zuschreiben, als ein einzelnes Lebewesen meines Erachtens hat? :rätseln:
(Wobei "wollen" dann auch wieder falsch wäre, denn sie "beziehen" ja intuitiv. Uff, bin ich verwirrt.)

Recht spannend fand ich auch den Gedanken zu den evtl. autistischen Philosophen, denn gerade in den Tagen vor Weihnachten hatte ich mich (über eine Zufallsschiene) sehr intensiv mit bestimmten Theorien in der Nachfolge Spinozas beschäftigt. Beim Lesen war ich richtig "glücklich", wie befreit und dachte "Endlich mal wird das formuliert, worüber ich mir so Gedanken mache."

Das finde ich nicht abstrakt, sondern sehr einfach, konkret und naheliegend; abstrakt sind für mich eher die "emotionalen" Steuerungsmechanismen der meisten Menschen.

Könnt Ihr mit dem "die Welt auf sich beziehen" etwas anfangen? (Also von der anthropozentristischen Assoziation mal abgesehen.)
Braucht man das, ist das hilfreich? Ich kann mich nicht anders sehen als eine Beobachterin. Da wo ich "auf die Bühne gehe" und mitmache (= Alltagsleben), betrachte ich mich dennoch jederzeit ebenfalls von außen. Gleichzeitig zum Handeln.

Mit "der Welt als Handlungsraum", der zur Verfügung steht, kann ich daher schon eher, sogar ganz gut was anfangen.

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Re: Die Mär vom empathielosen Autisten

Beitragvon ToWCypress81 » 2. Januar 2021, 06:54

Sybillina hat geschrieben:Wie, "auf sich bezogen"? Das kann ich einfach nicht verstehen, wie ich es auch drehe. Heißt das, andere Leute "beziehen die Welt auf sich"? Was heißt das?

Den Satz habe ich zuerst auch nicht verstanden bzw konnte mit diesem auch nichts anfangen.

Nun denke ich aber:
"Die Welt" heißt nichts anderes als "die Menschen".
Übersetzt würde das heißen:
"Weil sie (die Autisten) die Menschen (deren Verhalten) nicht auf sich beziehen".

Zumindest ist das das einzige was ich nachempfinden kann bzw bei mir auch so sehe, und so als Satz mit diesem gesamten sinngemäßen Absatz/Textblock meiner Meinung nach auch stimmig ist.

Sybillina hat geschrieben:Ich kann mich nicht anders sehen als eine Beobachterin. Da wo ich "auf die Bühne gehe" und mitmache (= Alltagsleben), betrachte ich mich dennoch jederzeit ebenfalls von außen. Gleichzeitig zum Handeln.

Absolut genau so ist das bei mir auch.
"Vergleiche dich niemals mit anderen. Vergleiche dich immer nur mit deinem früheren Ich". - R. M.

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Re: Die Mär vom empathielosen Autisten

Beitragvon Traumafrau » 2. Januar 2021, 09:39

ToWCypress81 hat geschrieben:
Sybillina hat geschrieben:Da wo ich "auf die Bühne gehe" und mitmache (= Alltagsleben), betrachte ich mich dennoch jederzeit ebenfalls von außen. Gleichzeitig zum Handeln.
Absolut genau so ist das bei mir auch.


Dieses "selbst helikoptern", also sich aus der 2.Person Perspektive beaobachten (Beäugen? Belauern? Protokollieren? Evtl sogar Kommentieren?) Wird das als Ich-Fremd oder Ich-Zugehörig von euch @Sybilina @ToWCypess81 betrachtet? Ist das wie ein Modus der jederzeit, selbstbestimmt ein- und ausgeschaltet oder eine Brille, die auf- und abgesetzt werden kann? Oder läuft das in Dauerschleife? Oder gibt es einen Auslöser/Trigger für diesen Modus?



Gibt es dafür einen Fachbegriff?

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Re: Die Mär vom empathielosen Autisten

Beitragvon tiffi » 2. Januar 2021, 10:16

Sybillina hat geschrieben:Tja, wenn "die" - ich empfand es so, als ob das alle um mich herum betrifft - das Denken allerdings nicht brauchen, sondern es intuitiv können ... Dann ist das natürlich was ganz anderes.

Dann bin ich es, die zwar eine Krücke (das Denken) braucht, weil sie sozial sonst nicht funktionieren kann; die aber umgekehrt oft mehr Überblick hat als andere (aus eben demselben "Denken" heraus, das nicht Luxus und Spielerei, sondern Notwendigkeit ist).

Ein schöner Ansatz wäre es, wenn man es gegenseitig so sehen könnte, dass nicht den anderen oder einem selbst etwas fehlt, sondern jeder eben anders ausgestattet ist. Wobei das wieder nach dem sehr gezwungenen "anders fähig" klingt. :verwirrt:
Ich würde dieses abstrahierende zum Teil auch gar nicht missen wollen, da es manchmal auch interessante
Erkenntnisse und Verbindungen bringt.
Gerne hätte ich andererseits nur auch gerne eine Art von "unmittelbarem Raum und Dasein".
Sybillina hat geschrieben:
Der Artikelverfasser hat geschrieben:Weil sie die Welt nicht unwillkürlich auf sich bezogen, nicht als Raum ihrer Handlungsmöglichkeiten wahrnahmen, sondern an sich, als etwas, das man verstehen möchte?
Wie, "auf sich bezogen"? Das kann ich einfach nicht verstehen, wie ich es auch drehe. Heißt das, andere Leute "beziehen die Welt auf sich"? Was heißt das?

Es würde vielleicht erklären, dass andere Menschen mehr am Leben hängen als ich bzw. im Leben Ziele haben. Wenn sie die Welt automatisch in Bezug zu sich setzen ...? Vielleicht wollen sie dadurch auch der eigenen Person mehr Relevanz zuschreiben, als ein einzelnes Lebewesen meines Erachtens hat? :rätseln:
(Wobei "wollen" dann auch wieder falsch wäre, denn sie "beziehen" ja intuitiv. Uff, bin ich verwirrt.)
ToWCypress hat geschrieben:"Die Welt" heißt nichts anderes als "die Menschen".
Übersetzt würde das heißen:
"Weil sie (die Autisten) die Menschen (deren Verhalten) nicht auf sich beziehen".
Uff, so intuitiv empfinde ich es als sehr einengend, wenn die Welt=die Menschen sind.
Da finde ich es passender,wenn die Welt auch die Tiere, der Boden, das Feuer, die Luft, das Weltall ect ist.
Aber letzteres kann man eben gar nicht auf sich selbst beziehen, da ist man nur ein ganz kleiner Teil von.

So könnte es schon sein, dass man bei Menschen eher etwas auf sich beziehen oder auch gestalten könnte.
(Als Spiegel). Wobei ich dann eher an Narzissten denke oder Leute mit Wahnvorstellungen, die übermäßig
viel in anderen sehen von sich selbst oder denken, die anderen sind "nutzbare Fläche".
Keine so gute Assoziation.
Sybillina hat geschrieben:Braucht man das, ist das hilfreich? Ich kann mich nicht anders sehen als eine Beobachterin. Da wo ich "auf die Bühne gehe" und mitmache (= Alltagsleben), betrachte ich mich dennoch jederzeit ebenfalls von außen. Gleichzeitig zum Handeln.
Vielleicht so im Sinne Selbstwirksamkeit?
Wenn es um das Thema Selbstbewusstsein geht, gehts eigentlich ja immer um das Thema-
"ich bin wertvoll im Vergleich zu anderen, ich bin nicht minderwertig, ich kann mich zeigen und mitmachen".

Keiner würde vergleichen "ich bin selbstbewusst im Vergleich zu einem Stein der da liegt und ich fühle mich
zu minderwertig,den aufzuheben".

Irgendwie finde ich das total merkwürdig, dass man sich im "Menschenraum" solche Macken angewöhnt. :rätseln:
Und doch der Raum in der Gesellschaft, das Dazugehören oder nicht, Interagieren oder außen vor sein,
ziemlich wesentlich zu sein scheint und auch auf das Wohlbefinden wirkt.

Dieses Beobachten wird von manchen Meditationsschulen trainiert. Es ist eine Art von Dissoziation
(vielleicht von diesen gesellschaftlichen Rollen?)


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