Welche sozialen Verständigungsarten versteht ihr im Kern nicht bzw habt Probleme diese sinngemäß umzusetzen?

Ein Leben in (völliger) Isolation? Du bist sehr introvertiert, ängstlich-vermeidend oder gar schizoid? Wie gehst du damit um?
Kalliope
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Re: Welche sozialen Verständigungsarten versteht ihr im Kern nicht bzw habt Probleme diese sinngemäß umzusetzen?

Beitragvon Kalliope » 21. Dezember 2020, 09:58

Distanzierte hat geschrieben:Ansonsten verstehe ich die komplette Dynamik in Gruppensituationen überhaupt nicht. Wenn z.B. 4 oder mehr Leute zusammen sind - woher weiß man dann, was man wann zu wem wie sagt? Ich bin dann wie gelähmt und reizüberflutet und fühle mich überhaupt nicht mehr angesprochen, sondern wie ein Zuschauer von außen. Gleichzeitig löst diese fehlende Beteiligung von mir auch starke Angst aus, dass ich komisch oder behindert wirke. Ich verstehe nicht, wie es für Leute in Gruppensituationen normal ist, immer wieder Kommentare einzuwerfen. Woher wissen die, dass die jetzt mit Sprechen „dran“ sind? Mir geht das alles viel zu schnell und ich will einfach nur Ruhe und allein sein.


Mich erinnert das, was Du sagst, aber ja auch zum Beispiel @TwCypress81 stark an meinen Aspi-Ex.
Es war so, dass er einerseits gesellig ist oder sein möchte und sich seinerzeit auch nichts sehnlicher Wünschte als Freunde. Zum Bespiel zum gemeinsamen Filmegucken oder Spielen. (Was ich wiederum grässlich finde, weil ich eben eine Gruppenaversion habe). Nun, Freunde hatte ich ja. (Dazu muss m an sagen, dass er wirklich sehr jung war, als wir uns kennenlernten, ich hingegen schon Anfang 30.) Also habe ich die dann auch hin und wieder mal eingeladen.

Dann verhielt sich aber Aspi-Ex so, dass er erstens nicht von Anfang an "dabei" war, sondern irgendwann aus seinem Zimmer kam und sich dann dazu setzte. Dann sagte er in der Regel kein Wort. Und verschwand dann auch ziemlich schnell wieder, um an seinem Rechner zu spielen. Ich dachte seinerzeit immer, der mag die Freunde nicht oder wir unterhalten uns über irgendwas, was ihn nicht interessiert. Meist blieb er dann verschwunden, was mir auch leid tat.

Irgendwann habe ich ihn darauf angesprochen und er sagte so sinngemäß Ähnliches wie Du/Ihr. Er meinte, wenn er sich eine Antwort oder einen Beitrag zurechtgelegt hätte, wären wir alle schon beim nächsten Thema und er würde dann mit irgendwas reingrätschen, was gar nicht mehr dazu passt. Man muss sagen, dass er nicht originär Deutscher ist, hat allerdings eine deutsche Mutter und spricht fließend deutsch (und nicht nur das. Sprachen eignet er sich irre schnell an. Übt das, indem er Filme in vielfachen Wiederholungen schaut in Originalsprache). Auch da fragte ich ihn mal, ob er direkt deutsch denkt oder simultanübersetzt und er meinte Letzteres. So kann es also auch von daher noch zu einer, wenn, dann aber nur minimalen Verzögerung kommen.
Im Zweierkontakt stört das weniger, weil es da ja eh ein hin und her optimalerweise ist, wo man wartet, bis der andere antwortet. Da ist mehr Zeit.

Nachdem, was ich hier nun las, kam mir der Gedanke, dass es offenbar an Impulsivität "mangelt". Also durch viel zu viel Nachdenken und auch mangelndem Mut, mal etwas "Unausgegorenes" (=NichtzuendeGedachtes) zu äußern, geht irgendwie die Spontaneität flöten. Wenn ich da was Falsches sage, bitte berichtigen.

Denn so ein Gruppengespräch lebt davon, dass alle aus dem oder sagen wir abgemildert, einem gewissenAffekt-/Impuls heraus etwas beitragen. Natürlich und je nach Inhalt des Gesprächs gibt es schon auch noch eine Kontrollinstanz, wann man was sagt.
Bei dem meisten jedenfalls und wenn es nicht zu hoch her geht ;D.

So ein Gespräch hat also so eine gewisse Impulsdynamik, ein Ping-Pong-Spiel oder auch Billard. Es lebt auch von Assoziationen.
Jemand sagt etwas, ein Stichwort, ein Trigger für den Nächsten, der dann eine eigene kleine Anekdote, einen Gedanken oder seine Meinung beiträgt. So verschieben sich Inhalte immer ein wenig hin und her, mal in diese, mal in eine andere Richtung. Sofern es eben ein offenes, spontanes und vor allem unmoderiertes Gespräch ist. Wo es jetzt z.B. kein "Ziel" oder deklariertes "Thema" gibt.

Ob Aspi-Ex dieses Thema mittlerweile hat für sich lösen können, weiß ich gar nicht. Ich werde ihn aber danach mal fragen. Wir sind in dauerndem Kontakt. (Zu zweit für ihn komplett problemlos!)
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Re: Welche sozialen Verständigungsarten versteht ihr im Kern nicht bzw habt Probleme diese sinngemäß umzusetzen?

Beitragvon tiffi » 23. Dezember 2020, 12:14

Durch Kalliopes Erläuterung bekomme ich jetzt irgendwie auch mehr Zugang zu dem Thema.
Kalliope hat geschrieben:(...) Aspi-Ex.
Es war so, dass er einerseits gesellig ist oder sein möchte und sich seinerzeit auch nichts sehnlicher Wünschte als Freunde. Zum Bespiel zum gemeinsamen Filmegucken oder Spielen. (Was ich wiederum grässlich finde, weil ich eben eine Gruppenaversion habe).
Das klingt auch mehr nach einer Verbindung ohne Kommunikation und ohne Austausch
von Emotionen.
Oder Emotionen vielleicht bezogen auf das Spiel / Spielerfolg oder indirekt durch den Film hervorgerufen.

Wird ja Männern auch öfters nachgesagt, dass die sich gerne treffen und "was machen",
ohne sich jetzt zu emotional zur eigenen Befindlichkeit auszutauschen.
(Wir hatten mal so ein Fach im Studium, das nannte sich Sozialmedizin,und da hieß es dann auch, dass Frauen
durch die emotionalere Vernetzung und emotionaleren Austausch sich eher helfen können, wenn es um Krankheiten
geht und hier eine Ressource haben, und Männer das eher in sich reinfressen, weil sowas nicht kommuniziert wird.
Naja, ist vielleicht auch etwas platt der Ansatz, aber durchaus auch zu beobachten).

Nun könnte ja bei einem Aspi dann das Ausblenden des Emotionalen noch stärker vorhanden sein als es bei
einem durchschnittlichen Mann so da ist. :rätseln:
Kalliope hat geschrieben:Dann verhielt sich aber Aspi-Ex so, dass er erstens nicht von Anfang an "dabei" war, sondern irgendwann aus seinem Zimmer kam und sich dann dazu setzte. Dann sagte er in der Regel kein Wort. Und verschwand dann auch ziemlich schnell wieder, um an seinem Rechner zu spielen. Ich dachte seinerzeit immer, der mag die Freunde nicht oder wir unterhalten uns über irgendwas, was ihn nicht interessiert. Meist blieb er dann verschwunden, was mir auch leid tat.

Irgendwann habe ich ihn darauf angesprochen und er sagte so sinngemäß Ähnliches wie Du/Ihr. Er meinte, wenn er sich eine Antwort oder einen Beitrag zurechtgelegt hätte, wären wir alle schon beim nächsten Thema und er würde dann mit irgendwas reingrätschen, was gar nicht mehr dazu passt.
Interessant, dass er das dann klar hatte für sich.
War ja auch mit einem Aspi zusammen viele Jahre und er meinte eher "weiß nicht, keine Lust" oder ähnliches,
wenn es um eh schon seltenen Besuch ging.
Kalliope hat geschrieben:Man muss sagen, dass er nicht originär Deutscher ist, hat allerdings eine deutsche Mutter und spricht fließend deutsch (und nicht nur das. Sprachen eignet er sich irre schnell an. Übt das, indem er Filme in vielfachen Wiederholungen schaut in Originalsprache). Auch da fragte ich ihn mal, ob er direkt deutsch denkt oder simultanübersetzt und er meinte Letzteres. So kann es also auch von daher noch zu einer, wenn, dann aber nur minimalen Verzögerung kommen.
Faszinierend. Ich könnte mir denken, da läuft dann wohl ziemlich viel rational ab, was dann soviel
belegt an Aktivität, sodass es das spontanere Zusammensein mit anderen eher nicht zulässt (?)
Für das spontanere muss man ja oft auch das Denken eher mal etwas loslassen, glaube ich.
Kalliope hat geschrieben:Im Zweierkontakt stört das weniger, weil es da ja eh ein hin und her optimalerweise ist, wo man wartet, bis der andere antwortet. Da ist mehr Zeit.
Noch einfacher dürfte das wohl auch im schriftlichen sein, da kann man in Ruhe Dinge nachvollziehen,
nachlesen, in verschiedene Richtungen überdenken und muss nicht all zu spontan darauf reagieren.
Kalliope hat geschrieben:Nachdem, was ich hier nun las, kam mir der Gedanke, dass es offenbar an Impulsivität "mangelt". Also durch viel zu viel Nachdenken und auch mangelndem Mut, mal etwas "Unausgegorenes" (=NichtzuendeGedachtes) zu äußern, geht irgendwie die Spontaneität flöten. Wenn ich da was Falsches sage, bitte berichtigen.
Darauf würde ich dann auch kommen. (s. oben, die vorhandene Belegung).

Wäre aber auch die Frage, was es für Spontanität benötigt. Vermutlich Kenntnis der anderen anwesenden Person(en),
Beobachtung der Mimik und von aktuell Emotionalem?
Dabei auch Kenntnis von Normalem und Widersprüchlichem und gemeinsamen Geschichten? Ich glaube, das ist schon
alles sehr komplex und erfordert vieles.
Kalliope hat geschrieben:Natürlich und je nach Inhalt des Gesprächs gibt es schon auch noch eine Kontrollinstanz, wann man was sagt.
Bei dem meisten jedenfalls und wenn es nicht zu hoch her geht ;D.
Da ich auch eher kontrolliert und begriffstutzig bin, wurde mir schonmal Alkohol nahegelegt. Also ich bin
von der Position von ToW manchmal gar nicht so entfernt. Aber Alkohol wirkt bei mir nicht, es macht mich
nur NOCH langsamer und introvertierter. :schweigen:
Kalliope hat geschrieben:Jemand sagt etwas, ein Stichwort, ein Trigger für den Nächsten, der dann eine eigene kleine Anekdote, einen Gedanken oder seine Meinung beiträgt. So verschieben sich Inhalte immer ein wenig hin und her, mal in diese, mal in eine andere Richtung. Sofern es eben ein offenes, spontanes und vor allem unmoderiertes Gespräch ist. Wo es jetzt z.B. kein "Ziel" oder deklariertes "Thema" gibt.
Ja, sowas hab ich schonmal beobachtet. Das kann auch schonmal ganz lustig sein, wenn man in einem
Bereich ist, wo man sich selber auskennt (und eben Assoziationen hat). Und die anderen da auch mitmachen.

PC Nerd Witze würde ich jetzt auch nicht so verstehen, aber andere, die da viel abhängen, vermutlich dann eher.
Aber ich weiß jetzt wenn ein Aspi z B ein Spezialinteresse hat und hier Gleichgesinnte findet, sozusagen eine Art
Nerdgruppe, ob das dann automatisch lustiger würde, weil die Basis so da ist?

ToW könntest du dir das vorstellen, dass du in Gruppen mit Themen, mit denen du dich auskennst, schneller die
Dinge begreifst und hier ggf. spontaner oder lustiger sein kannst; weil die inneren Wege schneller sind?
Oder wäre dann da auch weniger ein emotionales und soziales Interesse da und dir würde es reichen, sich
alleine über die Sache auszutauschen?

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Re: Welche sozialen Verständigungsarten versteht ihr im Kern nicht bzw habt Probleme diese sinngemäß umzusetzen?

Beitragvon Distanzierte » 23. Dezember 2020, 22:27

Diese Strategien, die ihr erwähnt, kenne ich auch alle von mir. Wenn Vermeidung nicht geht, so tun, als würde es mir zumindest gut gehen und ich aufmerksam sein, mich an anderen Stillen orientieren, jemanden in ein Zweier-Gespräch verwickeln usw.

Nur leider klappt das auch alles nicht so gut und kostet mich unheimlich viel Energie.

Es kommt auch extrem auf die Zusammensetzung der Gruppe an. Wenn alle anderen sehr fröhlich/frech/extrovertiert sind, geht es mir schlechter, als wenn auch Introvertierte in der Gruppe sind.

Belastend ist auch, dass man das nicht so einfach ansprechen/aufklären kann, warum man „so“ ist. Ich weiß es selbst auch nicht zu 100% und solche Begriffe wie „Persönlichkeitsstörung“ möchte ich auch nicht benutzen. Manchmal frage ich mich auch, ob das nicht auch ins Autistische bei mir geht, weil sich trotz Konfrontation kaum was bei mir verbessert und ich mich teilweise richtig behindert und reizüberflutet fühle. Andererseits habe ich aber auch ganz viele autistische Merkmale überhaupt nicht oder sogar im Gegenteil.
Ich hatte auch mal einen Exfreund (und andere Kontakte, beruflich und privat) mit Autismus und deren Verhalten hat mich sehr befremdet.

Ich achte sehr darauf, wie andere irgendwas von mir wahrnehmen und dass ich auf keinen Fall unhöflich bin, nicht einfach ohne Kommentar komme/gehe, wann ich will, oder was Unhöfliches/Direktes sage. Bin da sogar übermäßig vorsichtig und feinfühlig.

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Re: Welche sozialen Verständigungsarten versteht ihr im Kern nicht bzw habt Probleme diese sinngemäß umzusetzen?

Beitragvon MissTake » 6. Juli 2022, 11:45

Was mir schwerfällt, sind belanglose Smalltalk ohne wirkliches gemeinsames Thema und Flirten, egal ob persönlich oder digital.
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