Ambivalenz und Einsamkeit

Ein Leben in (völliger) Isolation? Du bist sehr introvertiert, ängstlich-vermeidend oder gar schizoid? Wie gehst du damit um?
Alice

Ambivalenz und Einsamkeit

Beitragvon Alice » 24. Dezember 2019, 23:43

Hallo :winken:
ich weiss gar nicht, wie ich anfangen soll... :kein Plan: vielleicht versuche ich einfach mal drauflos zu schreiben.
Ich lebe sehr isoliert, Kontakte habe ich zu meiner Familie und zu einer Freundin (kennengelernt in der Klinik) mit der ich aber nur schreibe, wir haben uns in mehreren Jahren, die wir uns nun kennen, nur einmal gesehen (außerhalb der Klinik). Sie weiss von meinen Problemen, das ich keine Kontakte aufrecht erhalten kann, mir das einfach sehr schwer fällt. Eine Partnerschaft habe ich nicht, ich habe zu viel negatives erlebt. Ich misstraue (aufgrund meiner Erlebnisse) und dadurch scheitern die Beziehungen dann auch (auch wegen großer Verlustangst). Freundschaften finde ich im Gegensatz zu Beziehungen oftmals nicht wichtig genug und es ist wie aus den Augen, aus dem Sinn. Mir wird das schnell zu lästig. Partnerschaften gehen bei mir nur, wenn es jemand tief in mein Herz geschafft hat, was bei einer Trennung auch sehr schlimm für mich enden kann. Alle Menschen lass' ich auf Abstand aber wenn mir mal jemand richtig wichtig geworden ist, dann hauen mich Trennung richtig um. Dadurch entwickeln sich schnell negative Gedanken. Allgemein fühle ich mich oft einsam. Manchmal wünschte ich mir, mich würde jemand verstehen, aber das tut keiner wirklich und im Grunde ist auch jeder mit sich selbst beschäftigt. Diese Einsamkeit, dieses nicht mit anderen Menschen auskommen können, nicht verstanden zu werden, das alles macht mich hoffnungslos. Ich weiss auch nicht, wie ich daraus kommen soll. Meine Therapeutin kann mir auch nicht wirklich helfen. Durch meine schweren Depressionen habe ich wenig Antrieb und einen schlechten Tagesablauf, ich bin oft sehr müde und erschöpft. Ich weiss nicht, wie ich mir da selbst helfen könnte. Es ist wirklich so, irgendwie schreit es in mir, bin aber äußerlich stumm und in mich gekehrt.. Kennt das jemand von euch? Das alles geht schon länger so und ich weiss nicht so recht weiter, zudem hat niemand Verständnis und keiner merkt wie es in mir aussieht. Wie auch, ich kann mich sehr schlecht mitteilen. Ohne Menschen vereinsame ich aber mit geht es auch nicht. Ich wünsche mir eine Partnerschaft aber dann kommen viele Probleme auf und meine Gedanken drehen sich dann wieder nur um die Trennung. Es geht nicht mit und nicht ohne. Ich bin ratlos... :(
Danke für eure Aufmerksamkeit :Blümelein:

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novembernebel
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Re: Ambivalenz und Einsamkeit

Beitragvon novembernebel » 25. Dezember 2019, 10:56

Hey,

Einen Rat geben oder dir wirklich helfen kann ich vermutlich nicht. Ich kann dir nur sagen, dass ich denke, dich nachvollziehen zu können, da es mir früher genauso ging. Und das mit dem Kontakt aufrecht erhalten kann ich bis heute immer noch nicht, dazu müsste ich den oder die Betreffenden schon regelmäßig sehen, ohne selbst hinfahren zu müssen.
Was mir mehr oder weniger da geholfen hat, bevor ich meinen Freund kannte, waren reine Online-Kontakte, die ich über World of Warcraft und andere Spiele bekam. Das war schön unverbindlich und ohne Aufwand. Nachteil ist allerdings, dass Spiele wie WoW ein gewisses Suchtpotenzial bergen, insbesondere bei Leuten mit depressiver Vorbelastung wie du und auch ich, und dass ab und an mal Menschen dabei sind, denen der rein virtuelle Kontakt irgendwann nicht mehr reicht. Die müssen dann irgendwie abgewimmelt werden.

Dass bei einer Partnerschaft bei dir direkt Gedanken an Trennung aufkommen wegen vieler Probleme, klingt ein wenig nach sich selbst erfüllenden Prophezeiungen. Als hättest du bereits die Erwartung, dass es so kommen wird.

Wirklich sagen, was du tun sollst, kann ich dir also leider nicht. Ich ahne, wie du dich fühlst, da es mir mal ähnlich erging, aber mittlerweile fühle ich nicht mehr so, sondern bin sogar ganz glücklich, allein bzw nur mit meinem Partner zusammen zu sein und keinerlei Freundschaften oder Bekanntschaften pflegen zu müssen. Eine Trennung von meinem Partner würde allerdings auch mein Ende bedeuten, nur habe ich davor keine Angst, solange keine Anzeichen da sind, die derartiges ankündigen.

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Re: Ambivalenz und Einsamkeit

Beitragvon Kalliope » 25. Dezember 2019, 11:13

Es tut mir sehr leid für Dich, dass Du Einsamkeit spürst.
Bei dem Satz (sinngemäß) "ich kann nicht mit ihnen, aber auch nicht ohne sie" finde ich mich durchaus auch, wenngleich Deine Beschreibung insgesamt sehr viel krasser. Ich selber komme halt schnell an den Punkt, wo "es" mir "zu viel" wird, andererseits finde ich Kontakte und Beziehungen auch sehr wichtig und möchte, dass sie aufrecht erhalten werden. Es ist also immer ein Balanceakt und auch eine Frage der gegenseitigen Toleranz.
Anstrengend ist ja auch, dass nun mal jeder Mensch ein Individuum und so muss jeder Kontakt für sich austariert und dann auch entsprechend gepflegt werden.
Das ist schon mitohne SPS schwierig.
Und dann kommen auch noch Phasen und Stimmungen. Konstanz ist also von Natur aus schon nicht wirklich gegeben. Konstanz zeigt sich dann eher auf der Ebene "nicht Weglaufen, wenn es mal ein bisschen schwierig ist" und "sich gegenseitig auch verzeihen". (Vieles, was nicht so läuft in Beziehungen, ist ja auch dem eigenen Kommunikationsverhalten geschuldet.)

Wenn, wie bei Dir, auch noch eine Depression hinzukommt, wird es noch einmal schwieriger. Denn man vergräbt sich sehr schnell in das "keiner versteht mich". Die Wahrheit ist ja: niemand versteht den Anderen in Gänze. Niemand kann in den Kopf des Anderen schlüpfen, dessen Leben und Lebenserfahrungen sammeln. Und jede Mensch hat für sich seine Probleme, für die er Verständnis vom Anderen erhofft, mindestens Toleranz und Akzeptanz.

Du bist wirklich ganz sicher, dass niemand merkt, wie es Dir geht? Mindestens Deine Therapeutin sollte es doch - sofern Du Dich ihr hast mitteilen können - wissen, wie es Dir geht.
Was erhoffst Du denn von ihr? Was denkst Du, wie sie Dir helfen könnte?

Interessant finde ich den Satz:
Alice hat geschrieben:"Freundschaften finde ich im Gegensatz zu Beziehungen oftmals nicht wichtig genug"
Denn ich habe das immer eher andersherum gesehen. Mangels richtiger Familie waren Freundschaften für mich seit je her enorm wichtig, als sie in der Regel beständiger sind als Beziehungen und von mehr gegenseitiger "Freiheit" geprägt.
Zudem stellten sie früher meine (Ersatz-)Familie dar.
Noch heute pflege ich die Freundschaft zu einer sehr alten Dame, die ich quasi als Mutter adoptiert habe und sie mich andersherum als Tochter. Da weder noch für den Anderen der Teil existiert.
Beziehung ist freilich dann, wenn sie existiert, auch sehr wichtig. Ich selber wünsche mir da eher ein Gefährtenschaft denn eine symbiotische Liebesbeziehung mit Verschmelzung zum "Wir". Das ist für mich eher eine ungute Vorstellung. Im Grunde also schwebt mir eher eine intensivierte Freundschaft (+) vor.
Allerdings gehe ich aktuell nicht mehr davon aus, so etwas zu finden, zumal viel und tiefe Vertrautheit wie tiefes Vertrauen auch lange Zeit braucht, um sich aufzubauen. Das lässt sich nicht in 1 - 3 Jahren aus dem Boden stampfen.

Gerade vor ein paar Tagen fand sich auf meinem Kalender das Zitat:
Goethe hat geschrieben:Ältere Freundschaften haben vor neuen hauptsächlich das voraus, dass man sich schon viel verziehen hat
Wer sich mit dem Verzeihen schwer tut, hat das Nachsehen.

Natürlich ist es auch ein Frage, wie offen oder verschlossen oder schüchtern man sich nach Außen gibt, also auch, wie "zugänglich".
Würde es Dir denn grundsätzlich schon ein wenig helfen, sehr lockere Beziehungen einzugehen?
Würde es das Einsamkeitsgefühl etwas abmildern?
Oder hat Dein Einsamkeitsgefühl eher etwas mit dem Gefühl des Andersseins zu tun (als dem des Ausgegrenztseins)?

Ich selber lebe mit dem Motto - bemühe mich wenigstens sehr - "wer meine Nähe sucht, soll es freiwillig tun", jeglicher Zwang oder Verpflichtetheit , wenn ich darum wüsste, würde mir ja auch nicht gefallen. So kann ich mit Verlusten etwas besser umgehen. Schließlich möchte ich ja selber auch nicht in einem Beziehungsgefängnis leben müssen.
Dennoch trauere ich und gestehe mir diese Traurigkeit auch zu, wenn sich jemand entfernt, eben nicht mehr meine Nähe sucht, der mir aber wichtig war. (Aber klar, es gibt auch die Beziehungen, wo es sich die Waage hält und das Entfernen voneinander in beiderseitigem Einverständnis.) Ein ständiges, sehr radikales On and Off allerdings zehrt auch an meinen Nerven und letztlich würde ich solch einen Kontakt auch dann abbrechen. Gibt es halt "Wellen" der Sich nahe Seins und der Entfernung, ist das normal und ok, wie ich finde. Grundsätzlich wünsche ich mir von einer Beziehung Konstanz und ein grundsätzliches "Ja" dazu.
Dann spielt der Phänotypus auch nicht mehr so die Rolle (Frequenz des Sich-Sehens z.B.).

Was würde Dir helfen?
Deine innere Einstellung zu überdenken?
Deine äußere Verhaltensweise zu verändern?
Was könnte kleine Ansätze sein, die Dich nicht allzu heftig herausfordern?
Wie wäre es z.B. mit "ritualisierten Begegnungen" (z.B. Verein, Gruppentherapie, Kurse, organisiert Reisen o.ä.), wo man sich für einen bestimmten, zeitlich begrenzten Zeitraum xy trifft, dann sich aber wieder voneinander trennt? So dass es nicht so eng wird, meine ich.

Noch etwas finde ich wichtig: nicht alle Karten auf einen Kontakt zu setzen. Kein einzelner Mensch kann einem anderen "Alles" bieten. Es überfordert einfach. Das ist meine Einstellung. "Verteilt" man soziale Bedürfnisse auf mehrere Menschen, entlastetet es auch die Erwartungshaltung an die Beziehung(en). Auch Verluste und eher "ferne Phasen" sind so leichter zu verkraften.
Ich weiß ja aus dem Mitlesen hier im Forum, dass gerade bei SPS der eine, einzige Kontakt (zum Lebensgefährten (m/w/d) als bereits völlig ausreichend empfunden wird, so gibt es eben auch andere "Ansätze". Meiner ist der hier beschriebene. Ich setze auf mehrere Vertraute mit verschiedenen Intensitäten der Vertrautheit, bzw. Schwankungen in der Nähe.
Jeder muss halt seins finden.

Weißt Du, was für Dich schön und richtig wäre?
"In Wirklichkeit ist der andere Mensch Dein empfindlichstes Selbst in einem anderen Körper" Khalil Gibran
"Das Ideal einer vollkommenen Gesundheit ist bloß wissenschaftlich interessant. Krankheit gehört zur Individualisierung." Novalis

Alice

Re: Ambivalenz und Einsamkeit

Beitragvon Alice » 25. Dezember 2019, 11:36

Hallo Novembernebel,
danke für deinen Beitrag.
Ich habe durch meine Einsamkeit an Online-Kontakte gedacht, deswegen habe ich mich hier auch angemeldet. Hier gibt es Menschen, die mich vielleicht verstehen, ich fühle mich dadurch nicht so einsam und ich muss nicht sofort die Angst haben, das ich allem nicht gerecht werde, wie bei Freundschaften, denn die wollen ja bekanntlich gepflegt werden. Ich stehe mir einfach selbst mit meinen Defiziten im Weg, das macht den Kontakt zu anderen Menschen schwierig. Dann die Depressionen, was du ja auch kennst. Sehr schwierig. Eigentlich habe ich mit mir genug zutun und muss wohl erst an mir arbeiten. Ich finde das alles aber gar nicht so einfach. Jeden Tag kämpft man mit sich, stellt sich immer wieder auf die Beine und versucht den Balanceakt mit der Gesellschaft. Zu meinen Depressionen habe ich auch noch Ängste, bin sehr unsicher.

Dein Text:
''Dass bei einer Partnerschaft bei dir direkt Gedanken an Trennung aufkommen wegen vieler Probleme, klingt ein wenig nach sich selbst erfüllenden Prophezeiungen. Als hättest du bereits die Erwartung, dass es so kommen wird.''
Das ist wirklich so, ich habe einfach zu wenig Selbstwertgefühl und denke eh ich reiche nicht aus. Leider haben sich in meiner Vergangenheit einige Ängste bestätigt und so macht es alles noch schwieriger.

Alice

Re: Ambivalenz und Einsamkeit

Beitragvon Alice » 25. Dezember 2019, 11:48

Hey Kalliope, danke auch für deine Antwort.
Meine Angst besteht auch darin, ich habe Angst nicht auszuweichen und nicht wichtig genug zu sein, ich bin ja austauschbar etc. Das macht den Kontakt zu anderen auch sehr schwer. Da ich berentet bin und durch meine psychischen Erkrankungen gehandicapt bin, ist mein Tagesablauf auch nicht wirklich interessant. Darum ist das für andere auch kaum nachvollziehbar, was auch ein Problem darstellt. Man bewegt sich nicht auf einem Level. Was für viele normal erscheint, ist für mich vielleicht ein Kraftakt. Ja, mein kleines Umfeld schätzt mich oft falsch ein und dann denke ich mir jedes Mal, was an meiner Kommunikation falsch läuft. Ich kann meine Mimik nicht meinen Gefühlen anpassen, was zu Missverständnissen führt. Ich versuche es dann verbal darzulegen, das funktioniert aber wohl auch nicht. Also muss ich an mir arbeiten. Was ich auch schon seit Jahren tue.

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Re: Ambivalenz und Einsamkeit

Beitragvon orinoco » 25. Dezember 2019, 21:13

Für mich war das Problem, dass ich mich selbst nicht verstanden hatte oder mir erklären konnte. In der Folge konnte ich auch meinem Umfeld mich nicht verständlich machen. Als ich mich dann verstanden hatte (siehe Blog unten), dann konnte ich mich zwar erklären, aber das Verständnis war ... doch verhalten. Vordergründig "Ja, ja, alles klar. Kein Problem". Aber wirklich nachfühlen können sie es doch nicht. Und das macht es dann doch immer noch schwer. Ich muss immer wieder neue Grenzzäune hochziehen, weil meine Grenzen immer wieder überschritten werden.

Grundsätzlich bin ich auch depressiv veranlagt und auch nicht gern allein. Neurotypische Partner interessieren sich aber erst gar nicht für mich und würden auch nicht zu mir passen ("Jig Saw Girl"). Die Partner, die passen, haben ein ähnliches Problem, weshalb man sich einerseits auf der Gefühlsebene gut versteht, aber andererseits auf der gleichen Ebene kolossal auf die Nerven gehen kann. Und dann ist die Beziehung meist auch schnell wieder vorbei. Da sind dann Haustiere (us dem Tierheim) vielleicht die besseren "Partner", weil die einen immer "verstehen" und nie link kommen. Da hat man auch jemanden um den man sich kümmern muss, der sich freut wenn man nach Hause kommt und sich ihm zuwendet. Das wie andere Resilienzfaktoren hilft auch ungemein gegen depressive Anwallungen. Wer anderen hilft, gleich ob Mensch oder Tier, dem geht es selbst besser.

Das Verlustdilemma bleibt so oder so. Früher oder später muss man von jedem Abschied nehmen. Und wenn meiner einer derjenige ist, der übrig bleibt, dann trifft es einen immer sehr hart, weil es eben immer wieder die Urwunde des Verlassenwerdens aufreisst.
Verständnis ist für den Traumatisierten, was die niedrige Bordsteinkante für den Rollstuhlfahrer.
t+ - mein Traumablog (nichtkommerziell und werbefrei)
Disclaimer "Lesen auf eigene Gefahr!" - unbedingt lesen!

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Re: Ambivalenz und Einsamkeit

Beitragvon Alice » 25. Dezember 2019, 22:30

Hey Orinoco,

du schreibst mir aus der Seele. Mir geht es auch so, ich weiss nicht was bei mir ist und deswegen kann ich mich auch anderen wenig mitteilen. Ich habe auch Phasen wo ich apathisch wirke, bin allgemein ziemlich in mich gekehrt. Ist auch oft schwer da raus zu kommen.

Ich habe auch eine Hündin, sie ist mein Goldschatz, ich bin so froh sie zu haben.

Wir gleichen uns wohl in einigen Dingen :)

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Re: Ambivalenz und Einsamkeit

Beitragvon bahnhof » 26. Dezember 2019, 01:24

Hallo Alice,

für mich klingst du etwas skurril. Du bist in der Lage, deine Situation mit klarer Sprache zu beschreiben, aber es fehlt jeglicher Ansatz zur Problemlösung. Dabei bin ich mir sicher, dass du auch diese ebenso eloquent in Worte fassen könntest. So bleibt nur das Mitleid für dein Selbstmitleid.
Letzteres ist ja sozusagen unsere Kernkompetenz.

Meine These ist, dass die Apathie und Antriebslosigkeit lediglich Bequemlichkeit ist, weil das jetzige Leiden immer noch angenehmer erscheint als die unangenehme Auseinandersetzung mit der Realität. Es ist ja so praktisch, sich als Häuflein Elend zu beschreiben und damit die eigene Misere zu rechtfertigen. Funktioniert bei mir prima, sogar ohne Depressionen und Haustier.

Insofern sind deine Depressionen eine Chance, etwas verändern zu wollen oder zu können. Denn gegen Depressionen und Ängste gibt es Medikamente, gegen Hinterm-Ofen sitzen leider nicht.

Die Idee, online Kontakte zu suchen, hat bei mir noch nie funktioniert, da ich dann nur ein Zerrbild der Gegenseite als reine Projektion entwickele, dass notwendiger Weise irgendwann zerstört wird. Ich mache es hingegen so, dass ich immer mit virtuellen unbekannten Dritten kommuniziere, das geht ganz gut. Heute kann man das ja selbst auf der Straße ganz offen machen, ein Bluetooth-Earset (-Imitat) reicht. So etwas kriegt man bereits für 1 Euro.

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Re: Ambivalenz und Einsamkeit

Beitragvon Kalliope » 26. Dezember 2019, 09:19

bahnhof hat geschrieben:Meine These ist, dass die Apathie und Antriebslosigkeit lediglich Bequemlichkeit ist, weil das jetzige Leiden immer noch angenehmer erscheint als die unangenehme Auseinandersetzung mit der Realität.

Man könnte das so deuten und so scheint es von außen häufig.
Letztlich ist aber genau diese Apathie und Antriebslosigkeit ein Symptom der Depression. Also Bestandteil der Erkrankung.
Die Ursachen können da vielfältiger sein, als Du hier vermutest.
Wo ich Dir recht gebe ist, dass "man" die Auseinandersetzung mit der Realität scheut.

Man kann auch als hochintellektuelles Wesen von Depressionen befallen sein und "trotzdem" handlungsunfähig - selbst, wenn man mögliche Lösungen wunderbar und klar formulieren könnte.

Hier mal noch ein paar weitere mögliche Ursache neben "Bequemlichkeit": Ängste (die z.B. Folge Manifestation negativer, un"verdauter" Erlebnisse und Erfahrungen sein können, aber auch einfach einem Charaktergrundzug entsprungen), Ängste, die halt hemmen und "den ersten Schritt" unmöglich zu machen scheinen.
Das Prinzip der Selbstwirksamkeit nie vorgelebt bekommen, nie gelernt kann auch eine Ursache sein. Wer nie aktiv wurde, sondern mehr passiv "gelebt wurde", dem fehlen möglicherweise ernsthaft die Kompetenzen für aktive Schritte und aktives, selbst-bestimmtes Leben. Hier wäre dann eine Verhaltenstherapie vielleicht hilfreich (ich kenne mich mit all den Therapieformen leider nicht aus, das ließe sich aber vielleicht bei einer Konsultation beim Fachmenschen herausfinden.) Ich glaube, dieses Phänomen ist gar nicht mal so selten. Eltern halten Kinder durchaus gern in Unselbständigkeit.
Physische/organische Ursachen. Z.B. Schilddrüsenerkrankungen, massiver Eisenmangel, andere "hormonelle Schieflagen", Vitaminmangel. All das kann "massive Antriebslosigkeit" bewirken, es fehlt dann tatsächlich biochemisch die Kraft, um aus dem Loch noch herauszukommen. Hierbei wäre es dann in der Tat wichtig, mal bei einem Mediziner vorstellig zu werden. Ich selber habe jahreang auf einem Ferritinwert von 5ng/dl vegetiert. Zzgl. Schilddrüsen-Ufu wg. Hashimoto. Gerade als Frau sollte man auch an solche Ursachen denken.
Man kann auch Läuse und Flöhe haben, die sich multiplizieren.

Was bei Alice ursächlich ist, weiß sie selbst sicher am besten.
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Re: Ambivalenz und Einsamkeit

Beitragvon Laika » 26. Dezember 2019, 11:29

bahnhof hat geschrieben:Ich mache es hingegen so, dass ich immer mit virtuellen unbekannten Dritten kommuniziere, das geht ganz gut. Heute kann man das ja selbst auf der Straße ganz offen machen, ein Bluetooth-Earset (-Imitat) reicht.
Lol, wie darf man das verstehen mit dem Earset-Imitat? Telefonierst du auf der Straße mit imaginären Dritten? Das fände ich, zumal als Beispiel für eine Lösungsstrategie, schon eher skurril :-D aber für reale Kommunikation würde ein Imitat ja nicht funktionieren?!?


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