robert.goren hat geschrieben:Der Therapeut kommt mit (seinen eigenen) Grenzzuständen in Berührung, denn er als „normaler Mensch“ spiegelt ja den Schizoiden. Der Therapeut empfindet das schizoide Verhalten als „Gefährdetheit menschlicher Existenz“. Der Schizoide hat damit erst einmal kein Problem.
Schizoide gehen realtiv selten zur Therapie, was in der Natur der Sache liegt, und sie sind bei Therapeuten nicht beliebt, weil sie besonders schwer zu "knacken" sind. Wenn jemand keinen Fisch mag, wie soll man ihn davon überzeugen, daß Fisch gut schmeckt?
Aber [Riemann] meint jetzt nicht, dass ein Schizoider kein Mensch im biologischen Sinne sei, sondern er spricht ihm das ab was das höchste des Menschseins für ihn ist. Gefühle, Empfindungen, das was die Esoteriker als Seele und Herz bezeichnen. Das „höchste Menschsein“ eben, die Metaebene des „ein Mensch sein“.
Aus nichtschizoider Sicht sind die Schizoiden "unmenschlich", weil sie den Umgang mit Menschen meiden. Wir sind ihnen unheimlich. "Wie kann man denn so menschenfern leben und sogar leben
wollen?"
Es gibt Schizoide, die durchaus reflektiert sind und merken und verstehen was mit Ihnen nicht in Ordnung ist. Er nimmt das Gefühl des „total-in-Frage-gestellt-sein“ an - er erkennt das Problem, und beginnt zu hinterfragen. Wenn also ein Schizoider merkt, das er die Metaebene des „Menschseins“ nicht erreicht hat, dann bleiben ihm zwei Optionen: es lernen zu empfinden oder es ignorieren.
Ich vermute, daß relativ wenige Schizoide
wissen, daß sie schzoid sind. Das Lesen von Psychiatriebüchern hat mir geholfen, mich selbst nüchterner zu betrachten, gleichzeitig sogar mit Selbstironie. Geändert hat es mich aber kaum. Man muß aufpassen, daß man sich nicht noch weiter hineinsteigert; dabei kann Selbstironie hilfreich sein.
Riemann scheint Schizoide zu klassifizieren: Genialität (in der scheinbaren Abhebung vom „Menschsein“ (wer will nicht negative emotionale Empfindungen ausradieren und wünscht sich nicht ein durchgehend reines und sachliches Wahrnehmen) und deren Antipode: Psychose, also gar keine Korrekturmöglichkeit mehr zu haben, für immer aus dem Kreis des Menschseins ausgeschlossen zu werden.
Einige wenige können in der Abgeschiedenheit Genialität entwickeln und damit sogar einen Beitrag für die Menschheit leisten. Aber dafür müssen die Umstände ungewöhnlich günstig sein. Das sind bestimmt nur wenige Ausnahmen. Dabei kommt es aber auch auf die Ausprägung der Schizoidität an. Wer gar keine Menschen um sich haben kann und nicht kommuniziert, wird seine innere Genialität kaum entfalten können, wenn er sie denn hat.
Für Riemann könnte der Schizoide also die Metaebene „höchstes Menschsein“ erreichen, wenn er lernt sich mit seinen Ängsten und Nöten auseinander zu setzen. Also die Angst vor der menschlichen Gemeinschaft zu überwinden um zu einem Teil der selben zu werden. Das das geht scheint Riemann tatsächlich zu glauben.
Wir wissen nicht, ob er solche "Angstüberwinder" wirklich kennengelernt hat oder ob er sich den Gedanken nur theoretisch zurechtgelegt hat. Und bei welchem Ausmaß der Schizoidität wäre das vorstellbar? Etwa bei jedem? Wohl kaum.
So etwas zu lesen ist für mich als Schizo so gar nicht angenehm, aber ich empfinde mich häufig als nicht Teil der Gemeinschaft der Menschen.
Das ist ja gerade das Schizoide in uns. Ich habe mich immer als "Fremdkörper" gefühlt und die Menschen haben es auch so empfunden, denke ich.
Eine andere Frage, wäre noch, inwieweit wir uns im Leben
verändern. Wird im Laufe der Jahre manches besser? Werden andere schizoide Züge noch verstärkt? - Einige Dinge habe ich gezielt trainiert, z.B. Blickkontakt. Es gelingt mir jetzt besser, den Blickkontakt zu halten, und ich habe dabei das Gefühl, daß es den anderen kalt den Rücken hinunterläuft. Sie erschrecken sich, was mich fast etwas erheitert. Aber vielleicht bilde ich es mir nur ein.