Schizoide Wesenswelten

bluemoon hat geschrieben:Da habe ich nun wieder eine Verständnisfrage. Welche der 9 Kriterien sind für dich denn nicht den Domänen 6D11.0 und 6d11.1 zuzuordnen

Mir geht es in diesem Fall nicht um die Einzelheiten. Vielleicht können wir uns darauf einigen dass die Kategorien von Persönlichkeitsstörungen in der ICD-10 und DSM-IV nicht 1:1 Deckungsgleich sind mit der Beschreibung von Persönlichkeitsstörungen in der ICD-11 oder dem alternativen Modell der DSM-V?

Ich stelle mir vor dass die benannten Persönlichkeitsstörungen von ICD 10 und DSM IV irgendwann einmal die gleiche Rolle spielen wie die Miasmenlehre für die moderne Medizin. Nämlich nichts mehr als eine Fußnote über kuriose Vorstellungen vergangener Zeiten.

Einerseits ist das gut so, denn teilweise waren die Kriterien wie in der Astrologie - jeder kann mit etwas Phantasie Eigenschaften seines Sternzeichens in sich wieder entdecken und den Rest als selbsterfüllende Prophezeiung ausbauen. Andererseits haben Leute wie Fritz Rieman (https://www.angst-verstehen.de/grundformen-der-angst-nach-fritz-riemann/) eine verdammt scharfe Beobachtungsgabe gezeigt, und die Fähigkeit ihre Gedanken überzeugend in Worte zu fassen.

ursus hat geschrieben:Andererseits haben Leute wie Fritz Rieman (https://www.angst-verstehen.de/grundformen-der-angst-nach-fritz-riemann/) eine verdammt scharfe Beobachtungsgabe gezeigt, und die Fähigkeit ihre Gedanken überzeugend in Worte zu fassen.

Gerade in Riemans Grundformen der Angst, man korrigiere mich bitte, wenn ich hier falsch liege, versteht sich die dort beschriebene schizoide Grundform selbst, als explizit nicht der gleichnamigen Persönlichkeitsstörung verwandt, oder!?

2ost: " ...die dort beschriebene schizoide Grundform selbst, als explizit nicht der gleichnamigen Persönlichkeitsstörung verwandt, oder!?"

Über Auslegungen von Texten kann man durchaus unterschiedlicher Meinung sein, welches die "Richtige" ist kann nur der Verfasser wissen. Ich stelle meine Meinung dazu dar, nicht, um zu behaupten, das wäre die richtige Auslegung, sondern um eine weitere Möglichkeit der Auslegung aufzuzeigen.

M.E. hat Riemann eher Abgrenzungen der Begriffe "schizoid" und "Schizophrenie" (Krankheit) ziehen wollen.
Weiterthin war es ihm m.M.n. wichtig, dass generell Persönlichkeit(sstruktur)en NICHT mit einer Persönlichkeits-STÖRUNG gleich zu setzen sind.
Schizoide Grundform NICHT gleich "Schiziodie"/ Schizoide Persönlichkeitsstörung
Depressive Grundform NICHT gleich Krankheit/Affektive Störung: Depression
usw.
Dennoch (nach meiner Ansicht) lässt sich eine "Verwandtschaft" zwischen "schizoider Grundform" und "schizoider Persönlichkeitsstörung" auch bei ihm ziehen. Wenn eine (in dem Fall "schizoide") Grundform sich so manifestiert, ausprägt, dass sie unflexibel wird -von den anderen Persönlichkeitsanteilen nicht mehr "ausgeglichen" werden kann- und somit Leid beim Betroffen mit sich und/oder seiner Umwelt hervorbringt, dann wird diese Grundform zu einer Störung (Krankheit). Nicht weil die Grundform an sich krankhaft ist, sondern, weil sie in ihrer Festlegung (Ausprägung) auf diese eine (Grund-) Form, die anderen Persönlichkeitsanteile (fast völlig) "verdrängt". Quasi ab einer bestimmt "starken" (und somit wenig flexiblen) Ausprägung wird die Grundform zu einer Krankheit.
Und da wäre zumindest ich wieder beim ICD 11... [als auch bei meiner Ansicht, dass sich Psychiatrie/Psychologie als Wissenschaften neu bzw anders definieren sollten; nämlich Festlegungen (Gesetzmäßigkeiten) heraus-zu finden, die gesund, "normal" sind, um dann erst festzulegen, welches die "Abweichungen" bis "Krankheiten" sind und nicht umgekehrt]

2ost hat geschrieben:Gerade in Riemans Grundformen der Angst, man korrigiere mich bitte, wenn ich hier falsch liege, versteht sich die dort beschriebene schizoide Grundform selbst, als explizit nicht der gleichnamigen Persönlichkeitsstörung verwandt, oder!?

Ich weiß jetzt nicht ob du das ironisch meinst? So wie ich das verstehe, hat Riemann vier Grundformen der Angst postuliert, und von diesen vier Persönlichkeitstypen abgeleitet. Die Angst vor der Selbsthingabe korreliert dabei mit dem sogenannten schizoiden Persönlichkeitstypus. Grundformen der Angst erschien 1961. Riemann wird die früheren Veröffentlichungen, z.B. von Ernst Kretschmer und Eugen Bleuler gekannt haben. Ich denke dass der schizoide Persönlichkeitstyp von Riemann sehr wohl verwandt ist mit den damaligen Konzepten einer schizoiden Persönlichkeitsstörung.

ursus hat geschrieben:Ich weiß jetzt nicht ob du das ironisch meinst?

Nein, ich meinte das nicht ironisch, sondern glaube mich unsicher daran zu erinnern, in Riemans Buch selbst (mag aber auch Sekundärliteratur dazu gewesen sein oder eben auch ein bloßer Irrtum meinerseits) so gelesen zu haben, dass er die von ihm beschriebene schizoide Grundform der Angst ausdrücklich von der gleichnamigen Persönlichkeitsstörung ( oder hieß das damals noch Psychopathie) unterschieden wissen wollte. Aber ich habe das Buch auch nur einmal vor Monaten gelesen und grad nicht mehr zur Hand, weswegen ich da gerne auch irren mag. Ironie war aber von mir hier nicht intendiert, nein.

Chrisp hat geschrieben:M.E. hat Riemann eher Abgrenzungen der Begriffe "schizoid" und "Schizophrenie" (Krankheit) ziehen wollen.
Weiterthin war es ihm m.M.n. wichtig, dass generell Persönlichkeit(sstruktur)en NICHT mit einer Persönlichkeits-STÖRUNG gleich zu setzen sind.

Ja, kann gut sein, das ich da schlicht was falsch verstand oder gar unrichtig erinnere. Darum ja auch meine, nicht rhetorisch gedacht gewesen seiende, Nachfrage dazu.

2ost hat geschrieben:Gerade in Riemans Grundformen der Angst, man korrigiere mich bitte, wenn ich hier falsch liege, versteht sich die dort beschriebene schizoide Grundform selbst, als explizit nicht der gleichnamigen Persönlichkeitsstörung verwandt, oder!?

Ist das nicht eine Frage des Ausmaßes? Ich sehe da so ein Spektrum:
Schizoide Verhaltensweisen - Schizoide Züge - Schizoider Charakter - Schizoide Persönlichkeitsstörung
LG
Aion

Wie gesagt, ich hab das Buch nicht mehr parat, glaubte mich aber zu erinnern (und mag darin grandios irren), dass es als explizit verschieden zur SPS definiert wurde, bis dahin dass Punkte die das eine ausmachten/definierten für das jeweis andere so nicht mehr gölten und vice versa. Die Antworten korrigierten mich aber schon soweit, das ich das nicht weiter bekräftigen will, ehe ich das Buch dahingehend nicht nochmals prüfen kann.