SPS in der kommenden ICD-11 nicht mehr enthalten?

Ein Leben in (völliger) Isolation? Du bist sehr introvertiert, ängstlich-vermeidend oder gar schizoid? Wie gehst du damit um?
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2ost
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Re: SPS in der kommenden ICD-11 nicht mehr enthalten?

Beitragvon 2ost » 18. Juli 2022, 12:48

ToWCypress81 hat geschrieben:Würdest du von dir behaupten, das wenn du eine Partnerin finden würdest mit der du auf einer Wellenlänge wärest, da dann einer Gemeinschaft nicht abgeneigt bist?
Gewünscht habe ich mir das wohl mein halbes Leben lang. Allerdings bin ich bereits mindestens einer solchen Frau schon begegnet, mit der ich mich exakt auf einer Wellenlänge fühlte, wo alles gepasst hatte und die auch, zumindest interpretiere ich das so, für mehr denn Freundschaft durchaus offen auch gewesen war, zu der ich aber schlicht und unter keinen Umständen irgendeinen größere Nähe zulassen konnte.

Wünsche ich mir das also? Naiv geantwortet: Klar! Aber die PS wird es wohl schlicht nicht zulassen und selbst wenn mich eine Therapie dafür öffnen könnte, wär ich immer noch, mit der PS gesegnet und des Weiteren zwar zu romantischer Liebe wohl fähig, aber an Sexualität eher uninteressiert… Will ich diese Kombination wirklich wem anderen aufbürden? Ich habe für mich, denke ich, mit der Möglichkeit inzwischen ab- und meinen Frieden damit geschlossen.
ToWCypress81 hat geschrieben:Es waren nur Fragen und Gleichnisse um für mich zu verstehen, warum für manche eine Therapie bezogen auf eine Diagnose im Sinne des Nutzens und Endresultat eine Rolle spielt.
Ah, dann habe diesmal ich mehr in der Antwort gesehen, denn da war. Verzeih! Ich rede nicht gerne über mich, außer in Anonymität vorspiegelnden Foren vielleicht, weswegen ich auch in einer Therapie einen erkennbaren Bezug bräuchte, überhaupt etwas zu erzählen. Mit einer Diagnose als Grundgerüst fiele es mir darum vermutlich leichter, punktuell aus meiner Vergangenheit dazu zu berichten.

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Re: SPS in der kommenden ICD-11 nicht mehr enthalten?

Beitragvon ToWCypress81 » 18. Juli 2022, 14:27

2ost hat geschrieben:Ich habe für mich, denke ich, mit der Möglichkeit inzwischen ab- und meinen Frieden damit geschlossen.

Da ich da somit wie ich denke rauszulesen kein Leid (mehr) für dich entsteht, ist oder muss das sicherlich auch befreiend für dich sein da keinen dir gemachten Druck (im Sinne einer Sehnsucht) mehr in dieser Hinsicht (entsprechend stark) zu verspüren.
Was sich in dem Fall denke ich für dich dann auch natürlich anfühlt (oder sich dies als das darstellt) und somit gut oder zumindest ok ist.
Dennoch denke ich immer auch da für mögliche funktionale Begegnungen sich nicht zu verschließen gut ist, und vielleicht auch da deine auf dich bezogenen Beziehungs-Erfahrungen nicht an diesem 1nen Menschen (wenn es nur diese 1ne starke Erfahrung war) festzumachen.

2ost hat geschrieben:Mit einer Diagnose als Grundgerüst fiele es mir darum vermutlich leichter, punktuell aus meiner Vergangenheit dazu zu berichten.
Wenn das für dich eine Stütze darstellt, die dir dabei hilft dich mehr zu öffnen, egal ob alleine oder in einer Therapie ist das auf jeden Fall richtig und in jeder Hinsicht unbestreitbar gut.
"Vergleiche dich niemals mit anderen. Vergleiche dich immer nur mit deinem früheren Ich". - R. M.

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Re: SPS in der kommenden ICD-11 nicht mehr enthalten?

Beitragvon Chrisp » 19. Juli 2022, 09:09

bluemoon:"Ehrlich gesagt, hab ich meine Meinung nicht geändert. ;) Ich unterscheide einfach zwischen der SPS selber und dem Begriff. Das was die SPS ausmacht ist sowohl in ICD-11 als auch im ICD-10 vorhanden und benennbar. Das einzige was weggefallen ist, ist der Begriff. Wenn du willst die Schublade mit dem Etikett SPS ist weg, aber der Inhalt ist immer noch da und liegt immer noch zusammen auf einem Haufen. Wenn man möchte, kann man den nach wie vor SPS nennen."


Ich kapiere es immer noch nicht. :verwirrt:
Die Schublade SPS war blöd, weil es DIE SPS nicht gibt, Leute da hineingepresst wurden, aber die (damit verbundenen) spezifischen Inhalten gibt es immer noch ergo kann man es auch weiterhin SPS nennen, das Etikett wieder an die Schublade kleben?!?!
Genau diese Assoziationen soll die Neufassung auflösen.

Da scheint mir das Problem dann nicht in der Neufassung zu liegen (die bricht dieses Muster ja auf!), sondern darin, dass einige Menschen wohl ihre alten Denk- und Verhaltensmuster nicht oder nur sehr schwer aufgeben können. Da müssen nun die Behandler (Ärzte, Therapeuten etc) zeigen, ob sie das, was sie dem Patienten aufzeigen möchten, selbst beherrschen: Flexibilität, alte Muster, die nicht mehr hilfreich sind, durch neue zu ergänzen/ersetzen.
Das wird einigen gut gelingen, anderen weniger und mach einem vielleicht gar nicht. ... Das wird die Praxis zeigen.

Was die BPS betrifft sehe ich weitere, andere Aspekte. Die BPS scheint MIR eng verknüpft mit traumatischen Erlebnissen. Daher eben auch dieses "Sonderstellung". Huber u.A. wirken schon sehr lange daraufhin, dass dieser Zusammenhang mit in der Diagnose und entsprechender Behandlung Berücksichtigung findet. ...
Ob andere Merkmale und wenn ja welche einer PS ebenfalls (zwangsläufig) auf traumatische Ereignisse zurück zu führen sind, ist eben NOCH sehr fraglich. Nicht genug erforscht, untersucht, zu wenig Daten. Hier könnte die Neufassung ebenfalls ein Instrument werden, diese Daten zu sammeln. "Trauma-er-forschung" war in den letzten Jahren das "Steckenpferd"...

ToWCypress81:"Wo kann eine Diagnose bezogen auf das direkte individuelle eingehen der Probleme in einer Therapie überhaupt hilfreich sein?"

Eine Frage, die für mich nicht einfach und klar zu beantworten ist. ABER, was ich (aus den Erfahrungen der Vergangenheit) behaupte: Egal, welcher (medizinische) Bereich: eine falsche Diagnose und dementsprechende Therapieverfahren können (sehr wahrscheinlich) mehr Leid erzeugen als dass sie hilfreich/nützlich/heilsam sind.

Für mich beginnt das Problem weiter unten. Psychologie/Psychiatrie verstehen sich als Wissenschaften, müssen dementsprechend wissenschaftliche Standards einhalten. Das Dilemma beginnt für mich daher dort. Denn Naturwissenschaften stellen (wiederholbare) Grund-Gesetzmäßigkeiten fest: Wenn...dann...
Diese GRUND-Gesetzmäßigkeiten sind bisher im menschlichen Verhalten derart -noch?- nicht gefunden. Individuelles Verhalten ist nicht berechenbar.
Fällt der Apfel vom Baum, fällt er nach unten. Alle Äpfel fallen (laut Grundsetzmäßigkeit) auf der Erde nach unten.
Dann erst werden die Abweichungen untersucht. ...
Meiner Meinung nach mangelt es der Psychiatrie als auch der Psychologie solch allgemein gültiger Gesetzmäßigkeiten. Wonach sich ALLE Menschen so verhalten müssten, wenn...
Daher ist diesbezüglich jede Diagnose immer noch eher eine individuelle, denn eben eine zusammenfassende.
Aber: Therapieverfahren haben sich dennoch entwickelt.
Da man hier von dem Grundsatz ausgeht: Denken-Fühlen-Verhalten bedingen sich bei ALLEN Menschen. Darauf sind alle Therapieverfahren aufgebaut und aus Erfahrung weiß man nun, dass bestimmte Therapieverfahren bei bestimmten Schwierigkeiten nützlicher sind als andere.
Therapie und Forschung bedingen eben auch einander.
Insofern kann eine übergeordnete Diagnose dem Therapeuten hilfreich sein, eine ERSTE Einschätzung vorzunehmen. Den Prozess der speziellen Diagnosefindung einzuleiten auf Grund der individuellen Schwierigkeiten des Patienten. ... Die erste(n) Therapiestunde(n) ist enorm wichtig für das Verhältnis Patient-Therapeut. Doch ohne vorläufige (übergeordnete) Diagnose keine Therapie.
Insofern sehe ich die Neufassung, da ohne Schubladen, als potentielle Möglichkeit gemeinsam mit dem Patienten die individuell sinnvolle Behandlung heraus zu finden. Und in diesem Prozess die Diagnose immer detaillierter zu erkennen und zu benennen. Ich kann mir daher vorstellen, dass dieses auch dazu beitragen kann, dass medikamentöse Behandlungen erneut auf dem Prüfstand stehen.
Also für mich: Diagnosen haben einen Sinn. Wenn sie richtig gestellt sind. Also alle Faktoren mit einbezogen werden, statt sie auf eine Schublade zu reduzieren und von da ausgehend zu behandeln.
Stellt man dann nach jahrelangem Sammeln und Auswerten der Daten doch gewisse Übereinstimmungen fest (siehe BPS) KÖNNEN sich durchaus (wieder) Kategorien entwickeln. Die dann auf gezielte Therapieverfahren hinweisen können.

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Re: SPS in der kommenden ICD-11 nicht mehr enthalten?

Beitragvon bluemoon » 19. Juli 2022, 10:45

Chrisp hat geschrieben:Ich kapiere es immer noch nicht. :verwirrt:
Die Schublade SPS war blöd, weil es DIE SPS nicht gibt, Leute da hineingepresst wurden, aber die (damit verbundenen) spezifischen Inhalten gibt es immer noch ergo kann man es auch weiterhin SPS nennen, das Etikett wieder an die Schublade kleben?!?!
Genau diese Assoziationen soll die Neufassung auflösen.


Das Ganze wird vielleicht verständlicher, wenn man das DSM-5 nimmt. Da gibt es weiterhin die klassische Einteilung mit den alten Bezeichnungen (wie ICD-10). Gleichzeitig gibt es da ein neues "alternatives Modell" was in etwa ICD-11 entspricht. Dazu gibt es Referenzmodelle, wie eine Störung nach klassischem Modell im alternativen Modell dargestellt wird. (Die eigentliche Störung ist dabei immer gleich und ist in beiden Modellen darstellbar.) Man kann also über das alternative Modell die Störung beschreiben und guckt anschließend in welche Schublade das im alten System gepasst hätte. Oder man nimmt die Diagnose aus dem alten System und stellt mit dem Referenz Modell das Ganze im neuen Modell dar.

Referenzmodelle gibt es zur Zeit wohl erstmal nur für "schwere Persönlichkeitsstörungen". Als Beispiel hab ich hier mal Ausschnitte aus dem Wiki zur Borderlinestörung genommen, wo es so ein Referenzmodell gibt. Die Mischung daraus ist dann ein Hybridmodell, was auch im DSM5 beschrieben ist und im Wiki als Darstellung des DSM 5 Alternativmodell genutzt wird:

Wikipedia hat geschrieben:Die moderne operationalisierte Diagnostik hat sich von theoriegeleiteten Konzepten weitgehend gelöst. Sie beschränkt sich heute ganz darauf, Erlebens- und Verhaltensmuster zu beschreiben, die das Störungsbild kennzeichnen. Das zeigt sich auch durch die Aufnahme des Borderline-Begriffs in den Diagnostischen und statistischen Leitfaden psychischer Störungen (DSM) und die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten (ICD).

DSM-5
In dem aktuellen DSM-5 (dem Klassifikationssystem der American Psychiatric Association) ist die Borderline-Persönlichkeitsstörung im Kapitel Persönlichkeitsstörungen verzeichnet.


Mindestens fünf der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:

Verzweifeltes Bemühen, tatsächliches oder vermutetes Verlassenwerden zu vermeiden. (Beachte: Hier wird kein suizidales oder selbstverletzendes Verhalten berücksichtigt, das in Kriterium 5 enthalten ist.)
Ein Muster instabiler und intensiver zwischenmenschlicher Beziehungen, das durch einen Wechsel zwischen den Extremen der Idealisierung und Entwertung gekennzeichnet ist.
Störung der Identität: ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbstbildes oder der Selbstwahrnehmung.
Impulsivität in mindestens zwei potenziell selbstschädigenden Bereichen, z. B. Geldausgaben, Sexualität, Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Fahren, „Essanfälle“. (Beachte: Hier werden keine suizidalen oder selbstverletzenden Handlungen berücksichtigt, die in Kriterium 5 enthalten sind.)
Wiederholtes suizidales Verhalten, Suizidandeutungen oder -drohungen oder Selbstverletzungsverhalten.
Affektive Instabilität infolge einer ausgeprägten Reaktivität der Stimmung, z. B. hochgradige episodische Misslaunigkeit (Dysphorie), Reizbarkeit oder Angst, wobei diese Verstimmungen gewöhnlich einige Stunden und nur selten mehr als einige Tage andauern.
Chronische Gefühle von Leere.
Unangemessene, heftige Wut oder Schwierigkeiten, die Wut zu kontrollieren, z. B. häufige Wutausbrüche, andauernde Wut, wiederholte körperliche Auseinandersetzungen.
Vorübergehende, durch Belastungen ausgelöste paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome.


Das Alternativ-Modell des DSM-5 in Sektion III schlägt folgende diagnostische Kriterien vor:

A.Mittelgradige oder stärkere Beeinträchtigung im Funktionsniveau der Persönlichkeit, die sich durch typische Schwierigkeiten in mindestens zwei der folgenden Bereiche manifestiert:

Identität: Deutlich verarmtes, wenig entwickeltes oder instabiles Selbstbild, oft mit exzessiver Selbstkritik; chronische Gefühle von innerer Leere; durch Belastung ausgelöste dissoziative Symptome.

Selbststeuerung: Instabilität in Zielsetzungen, Vorlieben, Wertvorstellungen und beruflichen Plänen.

Empathie: Eingeschränkte Fähigkeit, die Gefühle und Bedürfnisse anderer Personen zu erkennen, verbunden mit zwischenmenschlicher Überempfindlichkeit (beispielsweise eine Neigung, sich geringgeschätzt oder beleidigt zu fühlen); die Wahrnehmung anderer fokussiert auf negative Eigenschaften oder Vulnerabilitäten.

Nähe: Intensive, aber instabile und konfliktreiche enge zwischenmenschliche Beziehungen, die durch Misstrauen, Bedürftigkeit und ängstliche Beschäftigung mit tatsächlichem oder vermeintlichem Verlassenwerden gekennzeichnet sind; nahe Beziehungen werden oftmals in Extremen von Idealisierung und Abwertung erlebt und alternieren zwischen Überinvolviertheit und Rückzug.

B. Mindestens vier der folgenden sieben problematischen Persönlichkeitsmerkmale, wenigstens eines davon ist Impulsivität, Neigung zu riskantem Verhalten oder Feindseligkeit.

Emotionale Labilität: Instabiles emotionales Erleben und häufige Stimmungswechsel; heftige Emotionen bzw. Affekte sind leicht stimulierbar, hochgradig intensiv und/oder unangemessen hinsichtlich situativer Auslöser und Umstände.
Ängstlichkeit: Intensive Gefühle von Nervosität, Anspannung oder Panik, oft ausgelöst durch zwischenmenschliche Spannungen; häufige Sorge über negative Auswirkungen vergangener unangenehmer Erlebnisse und über mögliche negative Entwicklungen in der Zukunft; ängstliche Gefühle, Besorgnis oder Bedrohungsgefühl bei Unsicherheit; Angst vor psychischem Zerfall oder Verlust der Kontrolle.
Trennungsangst: Angst vor Zurückweisung und/oder Trennung von wichtigen Bezugspersonen, begleitet von Furcht vor übermäßiger Abhängigkeit und komplettem Autonomieverlust.
Depressivität: Häufige Niedergeschlagenheit, Sich-elend-Fühlen und/oder Hoffnungslosigkeit; Schwierigkeit, sich von solchen Stimmungen zu erholen; Pessimismus hinsichtlich der Zukunft; tiefgreifende Schamgefühle; Gefühl der Minderwertigkeit; Suizidgedanken und suizidales Verhalten.
Impulsivität: Handlungen erfolgen Hals über Kopf als unmittelbare Reaktion auf einen Auslöser, sie sind vom Augenblick bestimmt, ohne Plan oder Berücksichtigung der Folgen; Schwierigkeiten, Pläne zu entwickeln und zu verfolgen; Druckgefühl und selbstschädigendes Verhalten unter emotionalem Stress.
Neigung zu riskantem Verhalten: Ausübung gefährlicher, risikoreicher und potenziell selbstschädigender Handlungen ohne äußere Notwendigkeit und ohne Rücksicht auf mögliche Folgen; Mangel an Bewusstsein für die eigenen Grenzen und Verleugnung realer persönlicher Gefahr.
Feindseligkeit: Anhaltende und häufige Gefühle von Ärger; Ärger oder Gereiztheit bereits bei geringfügigen Kränkungen oder Beleidigungen.

Im ICD-10 (dem Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation) wird die Borderline-Persönlichkeitsstörung (F60.31) als einer von zwei Subtypen der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung (F60.3) aufgeführt:

Der impulsive Typus dieser Störung ist geprägt durch mangelnde Impulskontrolle und unberechenbare Handlungen (F60.30).
Beim Borderline-Typus sind zusätzlich das eigene Selbstbild und das Beziehungsverhalten noch stärker beeinträchtigt (F60.31). Dieser Typus entspricht ungefähr der Definition der Borderline-Störung im DSM-5.


Die Gruppe A des DSM 5 wird bei ICD 11 in einen Wert zusammengefasst und die Domänen (Gruppe B) sind etwas anders zugeordnet und es fehlen die Facetten.

DSM-5 Domänen (Gruppe B) sind: „Negative Affektivität“, „Verschlossenheit“, „Antagonismus“, „Enthemmtheit“ und „Psychotizismus“. Diese werden nochmals in 25 Facetten differenziert.

Auf jeden Fall kann man jeder Qualität (Unterpunkte von A und B) einen Prozentwert zuordnen und erhält damit eine quantitative Beschreibung. Mit dieser Beschreibung lassen sich viel mehr individuelle Informationen darstellen als nur die Aussage Borderline ja oder nein.

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Re: SPS in der kommenden ICD-11 nicht mehr enthalten?

Beitragvon Chrisp » 19. Juli 2022, 11:49

Vorherige Diskussion war: ICD 10 versus ICD 11: Unterschiede und Auswirkungen?

Die neue ist nun: DSM-5 Sektion III (Alternativmodell) versus ICD 11: Unterschiede und Auswirkungen?

Dabei sollte man nicht außer Acht lassen, dass beide Klassifizierungen unterschiedlichen Aufgaben dienen. Während das DSM eher ein Referenzwerk für die Forschung ist, ist das ICD hauptsächlich ein Instrument zu (internationalen) Abrechnungszwecken. Beide bedingen einander und werden angeglichen.
Möchte man nun die Unterschiede betrachten, hier ein link, der das m.E. relativ ausführlich aufnimmt. Sicher gibt es andere, bessere usw. Doch für mich ist diese Diskussion nicht so relevant, da ich als Patient in meinem Leben nach dem ICD eingeordnet werde. Und da spricht mir die Neufassung eher zu als eben die alte. (Weil sie die Schubladen abgeschafft hat)

https://link.springer.com/article/10.10 ... 20-00151-4

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Re: SPS in der kommenden ICD-11 nicht mehr enthalten?

Beitragvon bluemoon » 19. Juli 2022, 12:41

@chrisp:
bezüglich der Persönlichkeitsstörungen sind ICD-11 und das alternative Modell von DSM-5 im Prinzip das gleiche, genauso wie ICD-10 und das Standardmodell DSM-5 prinzipiell austauschbar sind. Das DSM eher in der Forschung zitiert wird, liegt einfach am höheren Differenzierungsgrad. (Z. B. 25 Facetten bei DSM-5 gegen nur 5 Domänen bei ICD-11)

Im DSM sind aktuell beide Modelle gleichzeitig nebeneinander sowie als Hybridmodell verknüpft vorhanden. Das macht es einfacher die Modelle ineinander zu überführen.

Will man nun ICD-10 und 11 ineinander Überführen, kann man das auf die gleiche Art und Weise tun.

Die ICD-11 Domänen sind:

negative Affektivität
Bindungslosigkeit/Distanziertheit
Dissozialität
Enthemmtheit
Zwanghaftigkeit

In einem Blogbeitrag zum neuen System wurden den neuen Domänen die alten Störungen zugeordnet. Auch dabei fiel wieder die Borderlinestörung aus dem Rahmen und wurde als eigenständige Domäne behandelt.

Schizoid wäre danach in den Domänen Bindungslosigkeit/Distanziertheit und negative Affektivität gelandet.

P.S. das hatte 2ost ja auch schon früh festgestellt: https://www.schizoide-forum.de/viewtopic.php?f=8&t=1388#p38594
Zuletzt geändert von bluemoon am 19. Juli 2022, 12:59, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: SPS in der kommenden ICD-11 nicht mehr enthalten?

Beitragvon Chrisp » 19. Juli 2022, 12:58

@bluemoon
Es liegt NICHT daran, dass ich das ICD oder DSM nicht verstehe, Aufbau, Inhalt habe ich längst verstanden. Schon vor dem ICD 11. Das neue ICD habe ich auf englisch gelesen, aber ich denke, dass meins zum Verstehen ausreichend ist.

Ich habe nur eine andere Meinung/Bewertung dazu als Du.
Alternativmodell und ICD 11 sind für MICH prinzipiell darin übereinstimmend, dass die Dimensionen -nicht Kategorien- als Basismerkmal dienen sollen. Das ICD hat diese Idee (Alternativmodell) des DSM WEITER entwickelt -daher im Prinzip ähnlich, in der Umsetzung/Ausführung ist für mich das ICD besser -da die Schubladen ganz abgeschafft sind.

Und wie ich schrieb: für MICH ist das DSM nicht relevant, daher werde ich dieser Diskussion kaum etwas zufügen wollen.
Für MICH ist das ICD relevant.

Nachtrag: Offensichtlich gibt es erste Übersetzungen für das ICD 11:
https://www.bfarm.de/DE/Kodiersysteme/K ... _node.html

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Re: SPS in der kommenden ICD-11 nicht mehr enthalten?

Beitragvon ToWCypress81 » 19. Juli 2022, 13:49

Chrisp hat geschrieben:Insofern sehe ich die Neufassung, da ohne Schubladen, als potentielle Möglichkeit gemeinsam mit dem Patienten die individuell sinnvolle Behandlung heraus zu finden.
Ja, so sehe ich das auch (für mich, das muss nicht für andere nützlich sein).
Chrisp hat geschrieben:Und in diesem Prozess die Diagnose immer detaillierter zu erkennen und zu benennen. Ich kann mir daher vorstellen, dass dieses auch dazu beitragen kann, dass medikamentöse Behandlungen erneut auf dem Prüfstand stehen.
Warum hier das Wort "Diagnose" nicht einfach mit genau herausgearbeiteten "Problemen" einsetzen, innerhalb der Persönlichkeitsstörung?
Es ist ja im Sinne von Persönlichkeitsstörungen kein für eine Gruppe geltendes Bild, das sich anhand 1ner Genetik, 1ner Kindheitsprägung, 1ner Erziehungsprägung, 1ner Schulprägung, 1ner Angstprägung, 1ner Emotionsprägung, 1ner Beziehungsprägung, 1ner Berufsprägung, 1ner Gruppen u. Sozialprägung usw ergibt, sondern all das ist ja in Kombination individuell, und meines Erachtens deswegen auch nicht in eine speziell definierte Diagnose zu packen.
Nur das, was sich aufgrund all der Prägungen im Alltag als Problem des Persönlichkeitsgestörten herausstellt könnte man wie ich finde in einer Therapie benennen - im Sinne von überängstlich, zwanghaft, mangelhaftes Einfühlungsvermögen, Sinnesreizüberflutung, Überemotionalität, Aggressivität usw diese auch in Kombination auftreten können, um neben Hauptfokus im Sinne der Therapiearbeit, auch je nach Hauptalltagsproblem (welches sich als zu belastend für den Patienten ergibt) dadurch umso zielgenauer und besser ein entsprechendes Medikament zu bestimmen.

Ergänzungen in rot, letzter Edit: 14:42 Uhr
"Vergleiche dich niemals mit anderen. Vergleiche dich immer nur mit deinem früheren Ich". - R. M.

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Re: SPS in der kommenden ICD-11 nicht mehr enthalten?

Beitragvon Chrisp » 19. Juli 2022, 14:47

@ToWCypress81:
Ich gebe Dir Recht, da habe ich mich ungünstig bis ziemlich dämlich ausgedrückt. (Meine Zukunftsperspektive hinein gemischt)


Im Grunde kann man mit dem ICD 11 genau das machen, was Du schreibst:
Diagnose: PS (nach best. Kriterien)
dann die BESCHREIBENDEN Merkmale also Diagnose + "Problembeschreibungen"

Ich habe die (unvernünftige?) Hoffnung, dass im Bereich der Ursachen (Genetik, Hirnforschung etc) , Umwelt/feld-Einflüsse, sozio-kulturelle Kontexte usw. doch eventuell irgendwann (in einer sehr fernen Zukunft) Indikatoren gefunden werden, die GEMEINSAME Merkmale für eine bestimmte Entwicklung aufweisen. Im Ansatz (wirklich nur ein Ansatz) ist der erste Schritt dazu bei psychischen Traumata gemacht worden.
Ich führe das nicht weiter aus...
Daher meine Hoffnung, dass solch (ganzheitlichen) Zusammenhänge sich eventuell irgendwann zusammenfassen lassen unter EINER jeweils bestimmten Diagnose, so dass trotzdem genug Spielraum für die individuellen Schwierigkeiten bleibt. Das entspringt meinem GANZ PERSÖNLICHEM Bedürfnis, Psychiatrie und Psychologie als Wissenschaft gänzlich anerkennen zu können.

Eine Alternative für mich wäre, dass sich Psychiatrie und speziell Psychologie als Wissenschaft "neu" definieren. ...

Also, ich habe das blöd ausgedrückt, Einiges zusammen gewürfelt...was zwar "irgendwie" auch zum Thema gehört, aber so weit weg ist, dass es hier nicht hingehört(e). :)

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Re: SPS in der kommenden ICD-11 nicht mehr enthalten?

Beitragvon bluemoon » 19. Juli 2022, 15:05

Da sieht die mittelschwere SPS dann so aus:

Code: 6D10.1/6D11.0/6D11.1


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