bremser hat geschrieben:[vor allem dass dort Angst ein dominierender Faktor ist und dass sie das auch nicht einfach abstellen kann,]
Das sie ständig mit Angst leben muss beschäftigt mich sehr, denn Angst ist nicht unbedingt das Gefühl das man dem Menschen wünscht den man liebt.
Es ist auch wichtig zu verstehen was Angst für eine Emotion ist und dass das nicht Liebe nur mit umgekehrten Vorzeichen ist.
Angst ist die Emotion des Überlebens. Von den Menschen die keine Angst hatten, stammen wir nicht ab, denn die sind vom Säbelzahntiger gefressen worden (bildlich gesprochen).
bremser hat geschrieben:Ich habe auch nie gedacht dass sie das einfach abstellen kann, jedoch gehofft, dass es Strategien gibt, um diese Angst wenigstens etwas minimieren zu können.
Normalerweise lernt man bzw. das eigene Gehirn während der Phase der emotionalen Geburt, so zwischen 1½ und 3 Jahren mit seinen Emotionen insbesondere Angst unbewußt umzugehen. Wenn das aber schief läuft, was eben sehr leicht passieren kann, da man in dieser Phase ein "sitting duck", ein leichtes Ziel für Traumatisierung ist, dann hat man unbewußt nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten seine Ängste zu regulieren, sprich wieder runterzufahren: nach einem stressigen Ereignis schläft man schlecht, grübelt tage- oder gar wochenlang, kann sogar depressiv werden, Drogen und anderes selbstverletzendes Verhalten und sind dann auch häufig beliebt, was ein anderer schon abends nach einem Bierchen beim Fernsehen schon wieder vergessen hat. Ganz vermeiden lässt sich Angst und Stress nicht, aber man kann selbst und das soziale Umfeld versuchen sich anzupassen, indem man stressige Situationen vermeidet, und andererseits die Resilenzfaktoren wie
– Selbst- und Fremdwahrnehmung
– Selbststeuerung
– Selbstwirksamkeit
– soziale Kompetenz
– Umgang mit Stress
– Problemlösungskompetenz
stärkt.
bremser hat geschrieben:Das ist so ein unglaublicher Stressfaktor und ich weiß nicht wie man damit leben kann. Angst kostet doch so unheimlich viel Kraft. Rational ist oft dagegen nicht anzugehen - vor allem da meine Frau darin eine Expertin ist und auch sehr intelligent und logisch denkt.
Da ist für sie vielleicht der Weg, der für mich erfolgreich war (immer im Rahmen der Umstände), auch der richtige. Mein Traumablog ist (nur) ein Einstieg in die Materie mit den wichtigsten Erkenntnissen hinsichtlich frühkindlicher Traumatisierung und der phylo- und ontogenetischen Hirnentwicklung beim Menschen. Das Thema hat aber beliebige Tiefe wie man anhand der vielen Verweise erahnen mag. Da kann man ein kleines Selbststudium absolvieren und weiß hinterher als die meisten schulgescheiten Psychologen.
bremser hat geschrieben:Was mich überfordert ist, dass kein (ich nenn das jetzt mal so:) Schutzsystem in ihr ist, kein Verdrängungs- oder Relativierungsmechanismus o.ä.. Erst einmal kann eine erhaltene Email oder eine nicht erhaltende Email eine riesige Gewühlswelle auslösen - die sie "lahmlegt". Sie hat sich schon Strategien zugelegt um diese Gefühle wieder los zu werden - ähnliche Vorgehen habe ich bereits in anderen Chats hier im Forum gelesen. Es kostet sie nur so unheimlich viel Kraft - wie soll das in ein funktionsbasiertes Leben passen ? - Du brauchst Kraft und Mut und Zeit - im normalen Alltag ist kein Platz dafür. Leider kann sich meine Frau diesen Platz nicht nehmen und sie ist zu stolz jemanden zu sagen, dass sie andere Bedingungen braucht. Gedanklich kann sie zum Glück schon einiges durchdenken.
Die Situation ist sicher keinesfalls einfach, auch weil es immer auf die genauen Umstände ankommt. Jeder Jurist weiß: jeder Fall ist anders. Trotzdem haben wir Gesetze die für alle gelten (sollten). Das ist auch ein Prozess den ich "frei schwimmen" nenne. Vieles wird sie schon intuitiv richtig machen, denn eine SPS ist eigentlich keine Störung sondern schon eine Anpassungsstrategie, eine Angst-Vermeidungsstrategie. Wichtig ist herauszufinden: was tut mir gut und was nicht? Und dann das Gute fördern und das andere meiden so gut es geht. Ich empfinde es z.B. auch als eine Frechheit, wenn mir erst auf Nachfrage auf eine E-Mail geantwortet wird und mir dann auch noch mit dummen Ausreden gekommen wird. Unter neurotypischen scheint das normaler Umgang zu sein, für mich nicht. Für mich sind das toxische Kontakte und die breche ich dann auch immer ab. Und so muss man konsequent sein Leben durchforsten und alle aus der eigenen Sicht unguten sozialen Kontakte eliminieren. Sich dann sozial negativ zu verhalten ist auch nicht immer angenehm, aber besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Und irgendwann hat man da auch Routine drin und kann sich seiner IFZ (idiotenfreien Zone) erfreuen.
bremser hat geschrieben:[Da fällt dir als Partner eine besondere Verantwortung zu, nicht nur ihre keinen Stress zu bereiten, sondern auch von stressenden Faktoren abzuschirmen (ohne sie zu bevormunden)]
Das würde ich sehr gerne tun - ich weiß nur leider kein bisschen wie.
Deswegen denke ich ist das so wichtig, dass ihr gemeinsam die Probleme zu lösen angeht. Jeder Weg beginnt immer mit dem ersten Schritt. Und immer wie Beppo Straßenkehrer (aus Momo): ein Schritt nach dem anderen.
Auch immer dran denken, dass es die Gefahr der Co-Abhängigkeit gibt und deine Bedürfnisse und Interessen auch ihre Berechtigung haben. Deswegen ist die Paar-Kommunikation so wichtig.
bremser hat geschrieben:Danke für den Tipp mit dem Partner-Zwiegespräch - wir führen ein gemeinsames Tagebuch - aber die Regeln aus dem Paargespräch lassen sich vielleicht auch auf das gemeinsame Schreiben anwenden. Wir reden viel - aber wie gesagt bin ich leider sehr emotional und daher haben wir festgestellt, dass uns das Schreiben in schweren Zeiten besser gelingt als reden.
Wenn das für euch der bessere Weg des Austausches ist, warum nicht? Ich kommuniziere häufig auch lieber schriftlich, weil ich da Gedanken besser entwickeln kann. Das Paargespräch nach Lukas Möller hat durch seinen Aufbau auch etwas von schriftlicher Kommunikation, wenn nur einer redet und der andere nur zuhört und dann umgekehrt. Wichtig ist nur mMn die Offenheit der Kommunikation, also Denken und Fragen ohne Handbremse im Kopf (naja. ein bisschen Diplomatie und Takt ist vielleicht nicht verkehrt).
Ganz wichtig vielleicht in der aktuell wohl sehr angespannten Situation herauszufinden, was tut ihr gut/nicht gut? was tut dir gut/nicht gut?