Langer Avocadotext

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Avocado
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SPS: Vielleicht

Langer Avocadotext

Beitragvon Avocado » 5. April 2020, 15:29

Hallo zusammen,

erstmal vorweg: Ich glaube, in Richtung schizoid zu tendieren, und bin unter anderem deswegen hier, weil ich das näher ergründen möchte.
Das äußert sich bei mir nicht (mehr) mit dem Schweregrad einer echten PS, daher glaube ich nicht, dass das unter "Ferndiagnose" fällt.

Ich bin mir insgesamt unsicher, ob das, wie ich bin, unter SPS fällt, weil ich da sehr viele widersprüchliche Meinungen zu gehört habe, von denen manche extrem gut treffen während andere wiederum total daneben liegen.

Kurz zum Werdegang: Ich war lange Zeit ein Einzelgänger und wurde von allen als "seltsam" angesehen. Ich war schon immer naturwissenschaftlich/logisch begabt und habe mich viel mit Technik beschäftigt. Bis ich mit 16 an die Oberstufe kam, hatte ich eigentlich nur eine Zweckfreundschaft, die sich aus "wir wurden beide gemobbt" ergeben hat (wobei das "Mobbing" recht harmlos war).

In der Oberstufe und anfang des Studiums habe ich weitere Nerd-Freunde kennengelernt, aber wirklich voran ging es mit mir, als ich mit 22 von zu hause ausgezogen bin.
Mittlerweile habe ich (okay, aktuell wegen Corona nicht...) ein recht aktives Sozialleben, bei dem ich teils mehrmals die Woche etwas mit anderen unternehme - dabei aber vor allem ausschließlich Gruppen-Treffen, bei denen es vermutlich niemandem auffallen würde, wenn ich nicht dabei bin.

Das Merkmal "kein Bedürfnis nach sozialen Kontakten" habe ich definitiv nicht. Sowohl was Freundschaften als auch Partnerschaften und Sexualität angeht sind starke Wünsche vorhanden.

Insgesamt habe ich vier Strömungen meiner Psyche identifizieren können:
A) Der emotionslose Rationalist
B) Der Mitläufer
C) Das Arschloch
D) Der Manipulator

All meine Erinnerungen in der Kindheit und Jugend sind an A geknüpft. In der Oberstufe habe ich das erste Mal über einen Witz gelacht, das war mir davor fremd.
Mit 24 etwa habe ich realisiert, dass andere Menschen ihre Gefühle nicht so bewusst steuern wie ich (wenn ich eine Emotion als unkonstruktiv identifiziert hatte, hat sie sich von selbst wieder schlafen gelegt). Da ich das vorher nicht wusste habe ich mich entsprechend oft wie ein Elefant im Porzellanladen verhalten, weil mir nicht klar war, dass andere Menschen negative Aussagen über sie nicht einfach emotionslos wegstecken.

Kurz danach hatte ich eine Art Breakdown. Aus irgendeinem Grund waren auf einmal Gefühle da, die ich sonst nicht hatte. Ich war wegen Panikstörungen (Verdacht) in Therapie. Mein Fokus lag darauf, die Kontrolle wieder zu gewinnen. Leider hat die Therapeutin die wichtigste Frage nicht gestellt, die mir aber glücklicherweise jemand anderes gestellt hat: Nämlich, ob ich überhaupt zurück möchte. Das habe ich verneint, und seitdem haben sich meine sozialen Fähigkeiten massiv gebessert und ich habe zumindest einen kleinen Freundeskreis aufgebaut.

Kausal sehe ich da vor allem einen Zusammenhang mit Schlafmangel, der bei mir aktuell auch immer zu einer massiven Unterdrückung aller Wahrnehmungen wie Angst und Freude unterdrückt - das ist aber wohl auch normal. Wenn man bedenkt, dass ich einen Großteil meines Lebens, in dem ich die Probleme hatte, unter Schlafmangel gelitten habe, wäre das eine mögliche Erklärung.

Beispiele aus meinem Leben wären: Wenn mich jemand lobt, dann sehe ich das als "soziales Gleitgel", und nehme das Lob nicht an. Genauso ist mir destruktive Kritik egal (weil mein Gegenüber ja das Ziel verfolgt, in mir schlechte Gefühle auszulösen - dem zu folgen würde also meinem Feind helfen => unsinnig). Ich war vor zwei Jahren mit einem Freund in einem Vergnügungspark und ich hatte selbst auf dem Freefall-Tower einfach keine Angst.

D ist relativ neu, und lief eher unbewusst hab, dass ich mich entschieden habe, etwas zu wollen, und irgendwie habe ich es bekommen. Dann bin ich plötzlich umgeschaltet und habe mich komplett anders verhalten als sonst. Strömung A ist sehr regelbasiert-ethisch, D ist da "flexibler"
Mittlerweile kann ich in diesen Modus schalten und ihn gewissermaßen wie eine Maske tragen. Dann bin ich extrovertiert und kann auch in sozialen Gruppen eine reibungslos steuernde Rolle einnehmen. Das als Maske zu tragen ist allerdings auf Dauer anstrengend bzw. ich falle oft wieder zurück.

Auf mich würden ansatzweise auch ein paar andere Richtungen passen, alle unten aufgelisteten sind die, die im Bezug auf mich schonmal von ansatzweise fachlich gebildeten Personen (z.b. Psychologiestudenten) genannt wurden:

Psychopathie: Gemeinsamkeiten sind die Fähigkeit, unangenehme Gefühle ohne Aufwand unterdrücken zu können. Dagegen spricht das geringe Interesse an eigenem Vorteil.

Asperger: Gemeinsam ist die soziale Unfähigkeit (seit ich Menschen ins Gesicht schaue, wenn sie reden, kann ich auch Gefühle deuten, oh Wunder - das macht vieles einfacher). Dagegen spricht nicht wirklich viel.

Narzissmus: Passt vor allem zu A und D. Ich bin ziemlich von meinen rationalen Fähigkeiten überzeugt. Das ist aber mMn gerechtfertigt, z.B. wäre ich, wenn diese Emotionen da nicht dazwischen gekommen wären, nach 8 Semestern (statt 10 Regelstudienzeit) mit einem 1.0-Master in Physik von der Uni gegangen. So hats wesentlich länger gedauert, unter anderem wegen fehlendem Antrieb. Aber die Fähigkeiten sind da, und wenn ich die raushängen lasse, dann wirkt das schnell arrogant. Für NPS würde sprechen, dass ich die meisten Menschen für triebgesteuerte Tiere halte und mich für was besseres, weil ich Introspektion betreibe und Dissionanzen bewusst auflösen kann. Gegen NPS würde sprechen, dass ich weder beleidigt auf Kritik reagiere noch Bestätigung im Außen suche (ich bevorzuge konstruktive Kritik gegenüber proklamierter Wertschätzung).

Ich hatte SPS vor einigen Jahren auf dem Schirm, als in einem Chat "ICD-Bingo" gespielt wurde (mein Wort für "jeder findet mal raus, welche Störung er denn hat"). Damals hätte das vermutlich voll gepasst, dann habe ich mich geändert und ich fand es nicht mehr passend.
Vor kurzem hatte ich einen "Rückfall" und habe mir auf Youtube ein paar Videos zu dem Thema angeschaut, und dort hat eine ein 4-Bereiche-Modell vorgestellt, das sich recht gut mit meinem A-D oben deckt. Das hat mich dazu bewogen, mal über den Tellerrand von Wikipedia hinauszulesen. Ich habe mir noch keine Fachliteratur angetan, aber jetzt bin ich erstmal hier.

Die große Frage: Meint ihr, ich passe hierher? Seht ihr Überschneidungen oder etwas, was gar nicht rein passt?

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Re: Langer Avocadotext

Beitragvon ToWCypress81 » 6. April 2020, 05:56

Avocado hat geschrieben:Die große Frage: Meint ihr, ich passe hierher? Seht ihr Überschneidungen oder etwas, was gar nicht rein passt?

Herzlich Willkommen Avocado!

Wenn du hier durch das reinlesen in die Denkweisen, Themen und emotionalen Ausdruck merkst, das diese dir etwas sagen, geben bzw du mögliche Gemeinsamkeiten erkennst, an denen du vielleicht gar den Willen hast etwas anzufügen - kannst du für dich entscheiden ob du hier reinpasst oder nicht.

Es gibt hier keine Aufnahme-Regeln die besagen wer hier reinpasst und wer nicht. Das musst einzig alleine du entscheiden.

Wenn du eine eindeutige Diagnose nach ärztlichen Kriterien-standarts suchst, kann dir auch nur eine ärztlich-diagnostische Abklärung weiterhelfen.

Es ist hier eher die Mehrzahl an Menschen die sich "Individuell" sozial anders tickend empfindet, anstatt passgenau einer einzig "wahren/richtigen" Schablone zu entsprechen.
"Vergleiche dich niemals mit anderen. Vergleiche dich immer nur mit deinem früheren Ich". - R. M.

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Re: Langer Avocadotext

Beitragvon orinoco » 6. April 2020, 10:09

Hallo Avocado,

nachdem was du schreibst, denke ich passt das schon, zumal ich auch Parallelen zu mir sehe. Wie ToWCypress81 schon schrieb ist das hier alles nicht so ICD-formell und selbst indirekt Betroffene sind hier willkommen. Dazu gibt es ja auch verschiedene Schattierungen von schizoid z.B. schizoid-depressiv mit unterschiedlich dominanten Anteilen. Und wenn man bedenkt, dass das ja alles nur Kompensationsstrategien sind, dann verwundert es auch nicht, dass man sich auch andere antrainieren kann. Und dass unsereins auch ähnliche, neurotypische Wünsche nach sozialem Kontakt hat ist auch "normal". Wir sind ja auch normal, nur unsere soziale Umwelt nicht. Und kein Bedürfnis nach negativen sozialen Kontakten zu haben ist dann schon eher schizoid. Ich kenne Leute die suchen geradezu den Ärger mit anderen und meinen das auch noch ungefragt allen anderen mitteilen zu müssen. Wer so drauf ist, der hat sicher kaum dominant schizoide Anteile.
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