ADHS und schizoid?

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palmax
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ADHS und schizoid?

Beitragvon palmax » 1. März 2022, 14:37

Hallo. Ich möchte mich mal vorstellen und bräuchte mal eure subjektive Meinung. Ich bin 41 Jahre alt und wohne in Bielefeld. Vor 2 Jahren wurde bei mir ADHS diagnostiziert, zusätzlich Dysthemie (schreibt man das so?), also eine Art chronische Depression.
Ich leide seit meiner Kindheit an Schusseligkeit, Tagträumerei (mein Kopf ist ständig online), Konzentrationsschwäche.
Zusätzlich habe ich kaum Freude an irgendwelchen Dingen, meistens suche ich das Extreme und Außergewöhnliche. Ich bin sehr schnell gelangweilt von monotonen Aufgaben, es sei denn, ich bin wirklich mit Interesse dabei und diese Tätigkeit regt meine Fantasie an.

Weiterhin bin ich ein ziemlicher Einzelgänger. Und das ist auch der Grund, weshalb ich hier gelandet bin. Es fällt sowohl mir als auch meinem Umfeld oft auf, dass ich kaum Interesse an anderen Menschen zeige, egal ob Fremde, Freunde oder Verwandte. Viele beklagen sich bei mir darüber, dass ich mich kaum bei ihnen melde und selten die Initiative bei irgendwas zeige. Meistens melden sich andere bei mir anstatt ich mich bei ihnen.
Ich bin fast immer allein in meiner Wohnung. Auch sonst mache ich die meisten Dinge in meinem Leben allein. Ich kenne das auch nicht anders.

Allerdings ist es nicht so, dass ich Gesellschaft bewusst meide oder mir Gesellschaft unangenehm ist. Ich habe schon oft Treffen mit Freunden oder Verwandten gehabt, die mich sehr gefreut haben. Aber das bleibt komischerweise nie hängen in meiner Birne. Also dass ich Interesse daran bekäme, mal mehr auf andere Menschen zuzugehen.

Bei mir heißt es oft: Aus den Augen, aus dem Sinn. Auch bei meiner Familie ist es so, dass ich mir bewusst vornehmen muss, mich z.B. bei meiner Mutter telefonisch mal zu melden, oder bei meinem Bruder. Meine Mutter und mein Bruder sind übrigens in der Hinsicht noch schlimmer als ich. Weder meine Mutter noch mein Bruder rufen mich öfter als einmal pro Halbjahr an. Komischerweise meckern beide dann, wenn sie Niemand anruft.

Wenn es um Smalltalk geht, habe ich oft Probleme, mich mit anderen Menschen zu unterhalten. Erst recht, wenn es fremde Personen sind. Mein bester Kumpel ist z.B. das genaue Gegenteil von mir. Er schreibt ständig über Whatsapp, und ich frage mich manchmal, wie man nur soviel labern kann wie er.
Ich dagegen rede oft knapp und in kurzen Sätzen. Es sei denn: Es handelt sich um irgendeinen Trigger, der in meinem Hirn irgendeine Erinnerung wach ruft; also ein spezielles Thema oder so, zu dem ich viel sagen kann. Oder eine Erinnerung, die komisch, traurig oder ähnliches war. Sobald ich mich wieder daran erinnere, kann ich plötzlich auch quasseln wie ein Wasserfall.

Aber wenn diese Erinnerung nicht getriggert wird, dann weiß ich einfach nicht, was ich sagen soll. Und oft will ich nichts sagen. Manchmal ruft mein bester Kumpel an, aber ich weigere mich, abzunehmen, weil ich in diesem Moment keinen Bock habe zu quatschen. Das Reden ist für mich oft sehr anstrengend, wenn es nicht gerade den besagten Trigger gibt.

Emotional werde ich oft als kühl, verkrampft, verpeilt und emotionslos beschrieben. Tatsächlich habe ich große Probleme damit, Gefühle zuzulassen, weil diese sehr intensiv sein können. Ich versuche eigentlich immer, meine Emotionen unter Kontrolle zu behalten. Damit zusammenhängend habe ich auch ein Problem damit, wenn ich mit Emotionen konfrontiert werde. Negative Emotionen anderer Menschen triggern mich oft dazu, selbst aggressiv zu werden – auch wenn ich gar nicht betroffen bin.
Positive Emotionen wie Lob oder Zuneigung sind für mich auch etwas sehr unangenehmes; ich kann mit so etwas gar nicht umgehen.

Ok, ich will jetzt hier auch keinen Roman erzählen, aber wenn ihr noch zusätzliche Fragen habt, nur zu. Fragt ruhig. :)

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Re: ADHS und schizoid?

Beitragvon ToWCypress81 » 2. März 2022, 07:54

palmax hat geschrieben:Ich leide seit meiner Kindheit an Schusseligkeit, Tagträumerei (mein Kopf ist ständig online), Konzentrationsschwäche.
Zusätzlich habe ich kaum Freude an irgendwelchen Dingen, meistens suche ich das Extreme und Außergewöhnliche.
(...)
Ich versuche eigentlich immer, meine Emotionen unter Kontrolle zu behalten. Damit zusammenhängend habe ich auch ein Problem damit, wenn ich mit Emotionen konfrontiert werde. Negative Emotionen anderer Menschen triggern mich oft dazu, selbst aggressiv zu werden – auch wenn ich gar nicht betroffen bin.

Das kenne ich von mir auch. Auch vieles andere was du schreibst.
Die Suche nach dem Außergewöhnlichen und Extremen kommt vielleicht auch von der Konzentrationsschwäche welche wiederum durch die Interessenlosigkeit bei emotionalen Belanglosigkeiten herrührt (?).
Vielleicht da du es gewöhnt bist das du Emotionen stärker wahrnimmst. Was bei mir ähnlich bis gleich ist. Ich deute das bei mir als emotionale Hochsensibilität (Hochsensibilität im Allgemeinen eher nicht, da keine Trigger bei Extremen).

palmax hat geschrieben:Vor 2 Jahren wurde bei mir ADHS diagnostiziert

Bist du daher auch Hyperaktiv? nehme bei mir oft ADS-Symptome ohne das "H" war, auch wenn ich gerne mal mit dem Fuß wippe. Wie macht sich das bei dir bemerkbar - (starke) Nervosität auch wenn du alleine bist oder nur unter Menschen?
"Vergleiche dich niemals mit anderen. Vergleiche dich immer nur mit deinem früheren Ich". - R. M.

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Re: ADHS und schizoid?

Beitragvon palmax » 20. März 2022, 16:20

Sorry, dass ich erst jetzt schreibe. Hatte das leider schon wieder vergessen, dass ich hier aktiv war. Danke erst einmal für deine Antwort. Um darauf wiederum zu antworten:

Bist du daher auch Hyperaktiv?


Eher weniger. Ich neige allerdings ab und zu schon dazu, mich in eine Sache hinein zu steigern, und diese dann mit einer Intensität zu verfolgen, dass ich sogar Basisbedürfnisse wie Essen, Trinken und Schlafen „vergesse“. Das kann ein Videospiel sein, ein Film, ein Buch, oder allgemein einfach ein Thema, was mich gerade interessiert.

Wie macht sich das bei dir bemerkbar - (starke) Nervosität auch wenn du alleine bist oder nur unter Menschen?


Die Nervosität zeigt sich bei mir nicht nur unter Menschen. Sie zeigt sich generell, wenn mich irgend etwas in Stress versetzt.
Hauptsymptom bei mir ist die Tagträumerei. Diese ist fast immer vorhanden. Geschwächt wird sie lediglich, wenn ich einer Aufgabe nachgehe, die hohe Konzentration von mir erfordert. Ich arbeite im Rettungsdienst. Und gerade in Situationen, die meine volle Aufmerksamkeit erfordern, schaffe ich es tatsächlich auch, mich auf die entsprechende Aufgabe zu konzentrieren.

Schwierig wird es, wenn ich im „Leerlauf“ bin, wie ich immer sage, also nichts zu tun habe. Oder wenn mich das, was ich tue, unterfordert oder überfordert. Oder wenn ich durch irgend ein Ereignis emotional „getriggert“ werde. Diese Tagträume bedeuten dann eben umgekehrt Unkonzentriertheit und Schusseligkeit. Wenn ich Pech habe, kann es passieren, dass mir z.B. auf der Arbeit in einem Moment noch eine Aufgabe zugeteilt wird, ich aber plötzlich durch irgend ein Ereignis an etwas anderes denke und dadurch die eigentliche Aufgabe sofort wieder vergesse.
Oder dass ich plötzlich durch irgend einen Reiz einer anderen Aufgabe nachgehe, obwohl ich meine ursprüngliche Tätigkeit noch nicht einmal zuende geführt habe.

Teilweise geht diese Vergesslichkeit auch einher mit einer gewissen geistigen Überanstrengung, oder wie man das nennen soll. Aufgaben, die lang dauern oder monoton sind, sind für mich oft sehr anstrengend. Ich schiebe sehr oft eigentlich notwendige Aufgaben wie z.B. mal meine Wohnung aufräumen, auf und widme mich lieber fesselnden Aufgaben wie z.B. Videospielen.

Umgekehrt ist es aber auch so, dass, wenn ich eine Aufgabe erst einmal „ins Rollen gebracht“ habe, dass die Sache dann auch von alleine läuft. Wenn ich z.B. erst einmal damit angefangen habe, die Küche aufzuräumen, mache ich danach gleich mit dem Bad weiter, und danach die Stube usw., obwohl ich das gar nicht geplant hatte.

Was nun Menschen betrifft, so ist es auch hier der Fall, dass ich oft „vergesse“, mich bei ihnen zu melden, oder ich schiebe es auf, weil es mir teilweise unangenehm ist, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Nicht permanent, sondern eben der Laune nach. Es gibt Momente, da bin ich gut drauf und gehe auf andere Menschen zu; und dann gibt es wiederum Momente, da stehe ich wie verloren in einer Menschenmenge herum und weiß nicht, worüber ich mich mit anderen unterhalten soll. Beide Phänomene konnte ich gestern auf einer Party an mir selbst beobachten.

Aber soweit erst einmal von mir. Ich will hier jetzt keinen Roman schreiben.

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Re: ADHS und schizoid?

Beitragvon ToWCypress81 » 21. März 2022, 08:01

palmax hat geschrieben:Geschwächt wird sie lediglich, wenn ich einer Aufgabe nachgehe, die hohe Konzentration von mir erfordert. Ich arbeite im Rettungsdienst. Und gerade in Situationen, die meine volle Aufmerksamkeit erfordern, schaffe ich es tatsächlich auch, mich auf die entsprechende Aufgabe zu konzentrieren.

Interessanter Beruf!
Solch ein Beruf und Menschen haben mich schon immer stark beeindruckt.
Da ich finde, das nicht viele diese Nähe, Not-Hilfeleistung und Aufopferungsbereitschaft zu unbekannten Menschen zulassen können bzw das nicht selbstverständlich ist.

Bei schwerwiegenden Notsituationen ist das bei mir so, das mein Adrenalinausstoß dafür sorgt, das ich konzentriert die Situation gut lösen kann.
Sobald allerdings keine schwerwiegende (lebensbedrohliche) Gefahr mehr vorhanden ist, ich automatisch wieder alles "von aussen" sehe, und dadurch nicht mehr in meinem Körper und instinktiven Gefühlen (Gefühle die vom Körper aus gesendet werden) bin.
Dieses "von außen sehen" bzw "sich nicht im Körper/Gefühlen befinden" bei mir auch zu einer Unkonzentriertheit und oberflächlich gesehen ab und an für andere auch "tagträumerisch" aussieht.

Bei mir ist bzw entspricht das wohl wie ich letztens rausfande eher einer Depersonalisations-Derealisationsstörung.

Allgemein gibt es aber sehr viele Überschneidungen zwischen AD(H)S, Schizoide PS oder teils auch Selbstunsicher-vermeidende PS und eben wie ich letztes rausfande der Depersonalisations-Derealisationsstörung.

Daher kann ich dir schwer sagen, zu welcher Störung du womöglich zusätzlich zu AD(H)S tendierst, wenn überhaupt.

Allerdings muss man sagen, das diese Störungen doch vor allem ihr Merkmal im sozial vermeidenden bzw problematischen Bereich haben, wegen eben diesen Störungsmerkmalen.

Wenn du daher von dir sagen würdest, das dich menschliche Kontakte eher wenig bis gar nicht belasten (Rettungssanitäter ist ja auch ein sehr sozialer Beruf) dann denke ich eher nicht das du eine entsprechende (sozial problematische) Störung hast, sondern vielleicht doch eben eher "nur" erwähnte diagnostizierte AD(H)S.
"Vergleiche dich niemals mit anderen. Vergleiche dich immer nur mit deinem früheren Ich". - R. M.

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Re: ADHS und schizoid?

Beitragvon palmax » 23. April 2022, 21:39

Vielen Dank für deine Antwort. Also die Nähe zu Menschen an sich ist wohl nicht das entscheidende Problem bei mir, sondern die Umstände. Wenn ich merke, dass ich gebraucht werden, dann springe ich sogar sofort auf und helfe dieser Person. Umgekehrt ist das schon schwieriger bei mir. Ich mag es nicht, abhängig zu sein von anderen. Bin früher oft gemobbt worden, und man hielt mir vor, ich könne nichts richtig machen, sondern jeder müsste mir immer helfen wie ein Babysitter.
Naja, ich kann nur sagen, dass auch meine Mutter dieses Problem hat, also dieses ständige Allein-Sein, und dass das gar nicht mit Glücksgefühlen, sondern eher eine Reaktion auf negative Erfahrungen ist und daher eine Trotzreaktion. Ich fühle mich zwar auch "normal", wenn ich allein bin, weil ich dann das Gefühl habe, alles unter Kontrolle zu haben. Dennoch merke ich manchmal, dass ich unbewusst doch vereinsame und dies meiner Psyche schadet.

Es dauert lange, bis ich jemandem vertraue. Aber selbst dann melde ich mich eher selten bei dieser Person. Ich merke aber sofort, wenn diese Person sich plötzlich nicht mehr bei mir meldet. Und dann frage ich diese Person, was denn auf einmal los ist. Naja, wie schon gesagt, meine Schwägerin findet dieses Verhalten in unserer Familie sehr eigenartig: dieses diskontinuierliche Interesse an anderen Menschen; mal hü und mal hott. Weiß nicht, ob das schizoid ist, aber es stimmt schon, dass es viele Überschneidungen zwischen Autismus, Asperger, SPS, ADHS, Borderline usw. gibt. Naja, vielleicht ist das ja von Allem etwas. :)

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Re: ADHS und schizoid?

Beitragvon bluemoon » 24. April 2022, 17:00

palmax hat geschrieben: Ich fühle mich zwar auch "normal", wenn ich allein bin, weil ich dann das Gefühl habe, alles unter Kontrolle zu haben. Dennoch merke ich manchmal, dass ich unbewusst doch vereinsame und dies meiner Psyche schadet.

...

Naja, wie schon gesagt, meine Schwägerin findet dieses Verhalten in unserer Familie sehr eigenartig


Hallo,
das mit dem normal fühlen kenne ich bei mir auch. Früher habe ich das eher als Stärke gesehen, nicht hinter anderen hinterherrennen zu müssen, nur um etwas Fehlendes zu ergänzen.
Mittlerweile sehe ich das etwas anders und versuche ganz bewusst der Vereinsamung entgegen zu wirken. Instinktiv geht das bei mir auch nicht.

Wo kommt denn deine Schwägerin her? Ich selber komme auch aus der Gegend und kann nur sagen, dass viele Leute Ostwestfalen generell für sonderbar halten ;)

Der legendäre Dialog: "Wie is?" "Muss. Und selbst?" gilt als auskömmliches Gespräch ­ und als typisch ostwestfälisch.


Woanders werden Ostwestfalen als: als bodenständige, wortkarge Menschen, die sich mit zu viel Nähe schwer tun, beschrieben. Da fällt man als schizoider Typ nicht unbedingt aus dem Rahmen. Wenn man so auf Menschen aus anderen Gegenden trifft werden die das als Desinteresse interpretieren und keinen weiteren Kontakt pflegen.

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Re: ADHS und schizoid?

Beitragvon sdsdsdsv » 25. April 2022, 10:36

Kann mich in deinem Eingangsposting gut wiederfinden, palmax. Ein spätes Willkommen von mir. :Ballon:


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