Auch eine weiße Lilie wirft einen schwarzen Schatten.Viel spiele ich nicht mehr, aber meine Eindrücke von
Ender Lilies: Quietus of the Knights wollte ich noch loswerden (und leider wird es wieder recht negativ ausfallen). Das Spiel ist ein Metroidvania, das auf allen modernen Plattformen Mitte diesen Jahres erschienen ist. Thematisch handelt es sich um ein düsteres Märchen: Ein unheilbringender Regen hat das Land überzogen und seine Tiere und Menschen verwandelt. Diese sind nun grotesk entstellt, genießen aber Unsterblichkeit. Unsere Heldin ist als einzige noch davon unberührt, womit ihr die Rolle der Erlöserin zukommt.
https://www.youtube.com/watch?v=sMTH3UvcqLYGraphisch ist das Ding ein Genuss. Es wird mit Dark Souls in 2D verglichen und hat auch diesen herben, monotonen Charme: Düstere Landstriche zeugen von der Hoffnungslosigkeit, in der diese Welt versunken ist. Auch ihre monströsen Geschöpfe sind größtenteils grau und verwachsen. Dann wiederum findet man sich an Orten wieder, die eine intensive Färbung aufweisen, was für verlorengegangene Schönheit, aber auch für eine unwirkliche, fremde und feindselige Welt stehen kann (wie bei Giftpilzen). Begleitet wird diese sehr atmosphärische und künstlerisch gelungene Präsentation von einem großartigen Soundtrack, der u. a. mit Gesang und Klavier eine melancholische Stimmung erzeugt, der man sich kaum entziehen kann.
Spielerisch schöpft der Titel aus den Werken großer Meister, bietet aber keinerlei Innovation. Die junge Dame kann selbst keine Waffe führen, daher nimmt sie die Hilfe der Toten an, welche sie zunächst besiegen muss. Wenn man also mit dem Schwert, Hammer oder der Klaue angreift, erscheint jedes mal ein entsprechender grauer Kämpfer, der diesen Angriff ausführt. Das ist ziemlich cool, trägt aber nicht zur Übersicht bei. Leider hat das Spiel oft ein Problem mit zu viel Durcheinander auf dem Schirm: Gerade bei Bosskämpfen wird das richtige Abstandhalten zum Gegner gelegentlich dadurch erschwert, dass man vor Effekten gar nicht mehr richtig durchblickt. Daneben verdecken oft Trümmer den Boden, so dass die kleinen "Horror-Schnecken/Egel" oftmals übersehen werden, was sehr ärgerlich ist. Was mir dagegen wieder sehr gefiel:
Jeder Gegner kündigt seinen Angriff durch ein rotes Blitzen im Auge an. Das ist schnell gelernt und funktioniert wunderbar, wenn es darum geht auszuweichen und Ausweichen ist hier an der Tagesordnung! Das Spiel fordert ständig von einem den Dash einzusetzen, der ein paar Frames Unverwundbarkeit verspricht. Auf diese Weise "gleitet" man durch jedweden Gegner, seine Geschosse sowie die One-Hit-Kill Angriffe von Obermotzen und wird sogar ein wenig schneller. Ansonsten hat Lily die Tendenz jede Platform, die sie noch irgendwie erreichen kann, hochzuklettern. Das ist wirklich prima, weil es fast nie dazu kommt, dass man irgendwo herunterfällt, wo man nicht fallen will. Wenn man aber nur in der Luft einen Angriff ausführen will und die Heldin entscheidet sich dafür, sich auf die gleiche Platform wie der Gegner zu stellen, ist das überraschende tete-a-tete mit dem Skelettbogenschützen ungewollt und kostet Energie. Das ist mir viel zu oft passiert und wirklich nervig (es gibt eine Option, die das verhindern soll, das hat aber auch nicht viel gebracht).
In gewisser Hinsicht hatte ich den Eindruck das Spiel ist das Gegenteil vom bekannten Symphony of the Night, was erstmal nicht schlecht sein muss: Statt eines großen Inventar mit vielen interessanten, aber auch wenig nützlichen Gegenständen und Waffen zum Ausprobieren gibt es hier recht wenige verstärkende Items, die wohlbedacht für die noch weniger vorhandenen freien Slots genutzt werden müssen (Ringe u. a.). Ich muss leider auch sagen, dass die düstere Stimmung bei mir nicht ganz das erreicht hat, was sie sollte: Wenn wir das mal mit den Konami-Castlevanias vergleichen, dann haben diese immer mal wieder auflockernde Passagen, sogar Humor findet sich dort. Ender Lilies dagegen ist nur trüb, trüb, trüb. Dabei ist die Story leider ziemlich kitschig und behandelt ausschließlich Ereignisse in der Vergangenheit. Was aber scheren mich die traurigen Geschichten der anderen Figuren, wenn ich in der Gegenwart des Spiels völlig allein den Kampf für eine bessere Zukunft ausfechte und andere nur noch als Schatten ihrer selbst wahrnehmen kann? Das hat Konami viel besser gelöst, dort wirkt das Schloss geradezu lebendig und gefüllt mit interessanten Figuren, die ihre eigenen Ziele verfolgen.
Auch die bunte Graphik von SotN vermisse ich ein wenig - irgendwann schlägt die Trostlosigkeit in Langeweile um. Dazu kommt, dass das Spiel einige wichtige Elemente nicht ausreichend visuell kommuniziert: Gläserne Kugeln, die Türen öffnen, wenn man sie zerschlägt, habe ich zunächst als Teil der Hintergrundgraphik wahrgenommen und später mind. einmal aus dem gleichen Grund übersehen. Außerdem gibt es gelegentlich die Möglichkeit eine Tür oder einen Weg im Hintergrund zu "betreten", was aber nur durch ein Symbol angezeigt wird, wenn man sich an dieser Stelle befindet. Wer möglichst schnell von a nach b kommen will und durch die Map dasht, übersieht das leicht, v. a. weil es noch andere Türen gibt, die nur Hintergrundgraphiken darstellen. Ging es nur mir so ("Da kann ich rein?!")? Die kontrastarme Graphik erschwert wirklich das Lesen des Bildinhaltes. Hier hätten die Entwickler sich mal an klassischen japanischen Videospielen orientieren sollen.
Hier und da hätte ein kleines verspieltes Detail auch nicht geschadet. In SotN z. B. konnte man seine "Sünden beichten", am Stuhl des Bibliothekars wackeln oder durch ein Fernglas schauen, in Ender Lilies gibt es dafür eine größere spielerische Herausforderung, es ist nämlich gar nicht leicht. Wer jetzt cool sein möchte, der kann auf Steam schreiben, dass der Schwierigkeitsgrad genau richtig ist. Ich fand's etwas zu schwer und nervig. Man erkundigt hier weniger interessiert die Gegend, sondern versucht sich von einem safe-Punkt zum nächsten zu retten. Dabei gibt es durchaus einen bemerkenswerten Lerneffekt: Wo vorher ein Abschnitt fast unmöglich erschien, schafft man es nach mehreren Anläufen fast ohne Lebensverlust durch eine Vielzahl gefährlicher Gegner, sobald man erstmal deren Verhaltensmuster erkannt hat. Dennoch muss man Ender Lilies immer konzentriert spielen. Das Spiel schenkt einem nicht viel und selbst Standard-Gegner bleiben bis zum Schluss gefährlich: Eine ungewollte Berührung, die eigene Position verschlechtert sich und weitere Gegner verursachen Schaden - das kostet schnell ein Drittel der Energieleiste.
Die Gegner halten eine Menge aus: Bis zum Schluss erfordern selbst die kleinen Horror-Egel mehrere Schwertstreiche und das ist dann eher Arbeit als Spiel. Kleinigkeit am Rande: Dies bedeutet aber auch, dass die gleichen Gegner in späteren Passagen mehr einstecken, weil sie der mittlerweile aufgelevelten Heldin mehr Widerstand entgegenbringen, was aber optisch nicht sichtbar gemacht wird. Das altbekannte "color-cycling", bei dem ein identischer, aber mit besseren Werten ausgestatteter Feind sich farblich von seinem schwächeren Kollegen abhebt, hätte wohl den tristen Look verschandelt. Mich hat's etwas irritiert. Für die Bosse habe ich übrigens 30-60 Minuten gebraucht. Wer Bewegungsmuster gern lernt, wird hier glücklich, ich hatte keinen Spaß dabei kurz vor dem Sieg doch noch zu verlieren. Nur noch eine Bemerkung zum gameflow: Irgendwie nervte der auch: Man wird stundenlang angeteasert mit verschlossenen Türen und unerreichbaren Orten und fühlt sich dann verpflichtet nochmal die ganze Map zu bereisen, sobald man diese bewältigen kann. Das gehört einfach zum Genre, schon klar, ist aber hier knochentrocken und wenig motivierend. Jedenfalls empfand ich das so.
Das Spiel ist überaus wohlwollend bewertet worden. Der Eurogamer-Tester z. B. äußerte sich äußerst
positiv, räumte aber ein, er habe erst fünfzehn Stunden gespielt. Ich war während der ersten zwanzig Stunden auch voll des Lobes für Ender Lilies und schätze auch jetzt seine Qualitäten, danach sind mir aber einige der oben beschriebenen Dinge doch sauer aufgestoßen und ich frage mich, wie viele Spieler, die es begeistert anfingen, es auch wirklich beendet haben.