Grenzen setzen

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Könnt ihr Menschen gegenüber klare Grenzen setzen?

Ja
5
36%
Nein
3
21%
eher Ja
4
29%
eher Nein
2
14%
 
Abstimmungen insgesamt: 14

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ToWCypress81
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Re: Grenzen setzen

Beitragvon ToWCypress81 » 17. Januar 2022, 21:04

bluemoon hat geschrieben:Also Grenzen ziehen hab ich als Jugendlicher gelernt. Der Preis ist dann nicht dazu zu gehören, aber damit kann ich leben.

Ich denke es ist ein riesen Unterschied:

wenn man selbst die Grenzen setzt in jungen Jahren anderen gegenüber nicht dazu gehören zu wollen - und sich dadurch in seinen eigenen Grenzen sicher (selbstsicher) und sich der eigenen Grenzen bewusst (selbstbewusst) zu sein. Im Umkehrschluss dadurch aber jeglichen Anschluss zu anderen ablehnt und verliert - sowohl in der sozialen Begegnung, als auch in der geistigen Begegnung.

Oder als junger Mensch stattdessen von anderen ausgeschlossen zu werden, da man nicht so ist wie andere und dadurch versucht immer irgendwo dazugehören zu wollen um dennoch irgendwo Akzeptanz zu erleben - um sich nur dadurch sicher (selbstsicher durch andere) und bewusst akzeptiert zu empfinden (Selbstbewusstsein durch die Akzeptanz anderer). Und damit im Umkehrschluss immer in Angst vor Ablehnung durch diese Abhängigkeit zu leben, was eine permanente (Selbst-)Unsicherheit auslöst.

Das 1. Beispiel durch die eigene Grenzsetzung (durch Negativ-Erfahrungen wie bspw einem Trauma) zu einer Selbstsicherheit und Selbstbewusstsein führt, aber im Gegensatz dazu nie lernt auch Sicherheit (Vertrauen) durch andere zu erlangen, da man durch diese Grenzsetzungen nur seinem eigenen Empfinden traut.

Das 2. Beispiel durch die nicht vorhandene Grenzsetzung, wegen der Abhängigkeit der Akzeptanz durch andere - nie lernt sich selbst zu vertrauen, da man dadurch nie durch sich selbst Selbstsicherheit und Selbstbewusstsein erlernt hat.

Das im Grunde zwei grundverschiedene Prägungen sind, die zu zwei grundverschiedenen Arten der Therapie (der Arbeit an sich selbst) führt:
- dem Vertrauen zu sich selbst (selbstunsicher-ängstlich-vermeidend).
- und dem Vertrauen anderen gegenüber (schizoid)
"Vergleiche dich niemals mit anderen. Vergleiche dich immer nur mit deinem früheren Ich". - R. M.

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Re: Grenzen setzen

Beitragvon ToWCypress81 » 18. Januar 2022, 15:41

Eine Mischung aus beiden Vetrauens-Problematiken und damit beiden Arten der Prägung gibt es aus meiner eigenen Erfahrungen aber auch.
Wo sich aber dennoch im Sinne der vorhandenen oder nicht vorhandenen Grenzsetzung große Unterschiede bemerkbar machen.

Zumindest ist es bei mir so, das ich als Jugendlicher so eindrückliche Erfahrungen (in der Schulzeit) mit Menschen hatte, das mein Menschenbild das dadurch zustande kam kein echtes Vertrauen mehr zuließ.

Von der Stärke (1 =kein Misstrauen bis 10 =sehr starkes Misstrauen) des jeweiligen Misstrauens bzw Vertrauens daher bei mir:

- Ein (sehr) mangelhaftes Vertrauen zu mir selbst, ca 9.
- Und ein stark ausgeprägtes Misstrauen zu anderen, auch ca 9.

Das wahrscheinlich auch der Grund ist, warum mir eine kombinierte Persönlichkeitsstörung diagnostiziert wurde.
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Sybillina

Re: Grenzen setzen

Beitragvon Sybillina » 23. Januar 2022, 10:13

ToWCypress82 hat geschrieben:Könnt ihr Menschen gegenüber klare Grenzen setzen?

Ja, das habe ich aber erst lernen müssen.

Als ich es vor Jahren auszuprobieren begann, fiel es mir zunächst schwer, weil ich niemanden verletzen wollte.
Dann habe ich jedoch festgestellt, dass den meisten Menschen klare Aussagen sogar lieber sind. Sie stutzen manchmal zunächst, sind dann aber erkennbar erleichtert und sprechen ebenfalls offen. Das finde ich gut und für beide Seiten Energie sparend.

Zudem hatte das Erlernen und Üben des Grenzen Setzens zwei weitere positive Nebeneffekte:

a) Mehr Gefühl für sich selbst:
Ich spüre meine Grenzen nun selbst besser und bewege mich sicherer in der Welt. Oder anders gesagt, ich konnte meine früher immer in mich hinein verlagerten Grenzkämpfe nun nach außen legen. So trifft mich nicht alles so direkt.

Das soll nicht heißen, dass ich dadurch gefühllos, weniger zum Nachdenken geneigt oder ein Haudrauf geworden wäre. Es hat sich nur alles in etwas mildere und angenehmere Formen bewegt. So viel Selbstschutz ist daher gar nicht mehr nötig.

Ältere Bekannte empfinden mich nun als "unkomplizierter" als früher. Klingt doch auch aus Außensicht recht gut.

b) Auswahl neuer Bekannter:
Durch die direktere Art ziehe ich nun weniger Leute an, die mich nur als Kummerkasten wollen. Zwar helfe und rate ich nach wie vor gern, habe aber - wegen der jetzt besser ausgeprägten eigenen inneren Beweglichkeit - nicht mehr das Maß an Geduld für "Klammeraffen", das mich früher für diese attraktiv machte.

Immer noch schließe ich sehr schwer Freundschaften, aber es sind jetzt Personen, von denen ich auch viel Neues lernen und mich weiterentwickeln kann. Finde ich gut.

ToWCypress82 hat geschrieben:Diese Vermeidung (bei mir) den Ursprung in einer Angst vor Konflikten hat, im Sinne das durch diese Ablehnung geschehen könnte (im Endeffekt also: die Angst vor Ablehnung).
Interessant.

Bei mir war es eher so, dass ich von klein auf mit dem Gefühl gelebt hatte, ich müsse immer dafür sorgen, dass jeder, mit dem ich zu tun habe, sich gut fühlt und weiter funktionieren kann (depressive Mutter, cholerischer Vater). Nur an mich selbst hatte ich nie gedacht. Mit Zuneigung/Anerkennung war eh nie zu rechnen. Also habe ich wie ein gut laufendes Betreuungsprogramm auf niedrigem Zugangslevel funktioniert. Ich denke, eher aus Pflichtgefühl und Nichthinterfragen des erlernten Modus.

Insgesamt ein klares Ja auf die Frage: Ja, ich kann gut Grenzen setzen und empfinde es als bereichernd und zugleich entspannend. :begeistert:
Zuletzt geändert von Sybillina am 23. Januar 2022, 10:47, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Grenzen setzen

Beitragvon ToWCypress81 » 23. Januar 2022, 10:42

Sybillina hat geschrieben:Dann habe ich jedoch festgestellt, dass den meisten Menschen klare Aussagen sogar lieber sind. Sie stutzen manchmal zunächst, sind dann aber erkennbar erleichtert und sprechen ebenfalls offen. Das finde ich gut und für beide Seiten Energie sparend.
(...)
a) Mehr Gefühl für sich selbst:
Ich spüre meine Grenzen nun selbst besser und bewege mich sicherer in der Welt.
(...)
Daher ein klares Ja: Ja, ich kann gut Grenzen setzen und empfinde es als bereichernd und zugleich entspannend. :begeistert:

Das klingt sehr gut!
Diese Erfahrungen habe ich in Teilbereichen auch gemacht, als ich mich aus meiner konfliktfrei gesteuerten Komfort-Zone rausbewegt habe.

Danke für deinen Beitrag!
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Re: Grenzen setzen

Beitragvon MissTake » 5. Juli 2022, 16:36

In erster Linie begrenze ich mich selber. Also auf Dinge oder Situationen verzichten, die vielleicht erstmal nett sind, aber anschließend Probleme oder Verpflichtungen mit sich führen. Heißt in meinem Fall konkret : Trotz Sehnsucht Verzicht auf weitere Partnersuche Ich bin ja doch nicht bereit oder in der Lage, so eine Verantwortung zu übernehmen, die Hoffnung habe ich nun doch aufgegeben, es sei denn, mein Therapeut kann mich vom Gegenteil überzeugen - ansonsten habe ich diesbezüglich aufgegeben und setze mir da selber eine klare Grenze.

Ansonsten bin ich gut sortiert und kann Anfragen von außen gut organisieren... "jetzt nicht, aber... habe ich Zeit."

Dann sind da noch meine ehemaligen Beziehungspartner. Die beschrieben eine Veränderung, dass sie mich kaum. Noch erkannten, so abweisend, kalt und distanziert war ich. Über so eine vereiste Grenze will niemand gehen.

Auch immer hilfreich:" Wollen Sie eine nette oder eine ehrliche Antwort?"

Zu Pandemie Zeiten mit Maske und Abstand kann man diese Instrumente auch gut einsetzen, um sich, gesellschaftlich legitimiert, abzugrenzen. Wichtig: "Sie statt Du" im Job.
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Re: Grenzen setzen

Beitragvon bluemoon » 5. Juli 2022, 18:55

MissTake hat geschrieben:In erster Linie begrenze ich mich selber. Also auf Dinge oder Situationen verzichten, die vielleicht erstmal nett sind, aber anschließend Probleme oder Verpflichtungen mit sich führen.


So was mach ich auch, aber das sehe ich nicht als Selbstbegrenzung sondern als freie Entscheidung etwas von vorneherein zu lassen, wenn mir der Preis oder der Aufwand dafür zu hoch erscheint.

MissTake hat geschrieben:Dann sind da noch meine ehemaligen Beziehungspartner. Die beschrieben eine Veränderung, dass sie mich kaum. Noch erkannten, so abweisend, kalt und distanziert war ich. Über so eine vereiste Grenze will niemand gehen.


Der Punkt scheint mir interessanter. Du verschiebst da offensichtlich deine Grenze radikal, oder hab ich das falsch verstanden? Merkst du die Veränderung selber, bzw. verschiebst du sie ganz bewusst? Oder ist das etwas, was nur deine Ex-Partner so empfunden haben und du selber das Gefühl hattest die gleiche wie vorher zu sein?

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Re: Grenzen setzen

Beitragvon MissTake » 5. Juli 2022, 20:46

bluemoon hat geschrieben:Merkst du die Veränderung selber, bzw. verschiebst du sie ganz bewusst? Oder ist das etwas, was nur deine Ex-Partner so empfunden haben und du selber das Gefühl hattest die gleiche wie vorher zu sein?


Teils teils. Woran das liegt, dass es so schnell kippt, dass ich auf einmal kein Vertrauen und keine Hoffnung für due Beziehung habe, weiß ich nicht so genau. Aber wenn ich diesen Gefühlszustand erreiche, dann erkalte ich innerlich und wohl auch äußerlich. Statt vorher lebhafter Kommunikation nur noch Zweiwort-Sätze wie "schon okay" oder "heute nicht" und irgendwann "nein danke" und "lass mal". Dann schiebe ich den Partner weg, um ihn nicht weiter zu verletzen. Oder um mich zu schützen. Auf jeden Fall um die Nähe zu vermeiden, die ich nicht mehr ertragen kann.

Wenn ich so abweisend bin, bin ich eine andere. Ich nenne sie "die Kriegerin". So eine Art Jeanne d'arc, die ihre Rüstung und ihre Waffen anlegt und eigentlich nur zurück in den Schutz der "Schwarzen Burg" will, um sich da allein zu verschanzen, bis die Gefahr vorüber und alle Wunden verheilt sind. Eigentlich will die Kriegerin nur in Sicherheit. Wer sich in den Weg stellt, wird entweder umgangen oder notfalls umgemäht. Im Nachhinein tut mir das dann leid. Aber ich kann das meistens nicht mehr klären, weil ich den Kontakt abbreche. Würde ich wieder Kontakt aufnehmen, so fürchte ich, mein Gegenüber könnte sich wieder falsche Hoffnungen machen oder versuchen, irgendwas zu erklären in der Absicht, mir doch wieder zu nahe zu kommen. Dieser Zustand ist wie ein Tunnel und endet erst, wenn ich alles "zu Klump gehauen" und mich wieder frei gelaufen habe. Trauer fühle ich dann nicht. Ich trauere ja, bevor ich Schluss mache, heimlich. Danach fühle ich einfach nur Erleichterung.

Also irgendwie ist da schon eine ziemliche Veränderung. Die bezieht sich aber nur auf die Beziehung. Weder mein Kind noch meine Arbeit werden dadurch beeinflusst, auch sonst merkt niemand etwas. Ich weine nicht und sehe auch nicht krank aus. Es wirft mich nicht aus der Bahn, im Gegenteil, ich bin dann sehr konzentriert und versuche einfach nur, einen unkalkulierbaren Störfaktor aus meinem Leben zu entfernen. Leider empfinde ich den Menschen dann nur noch als solchen, habe ihn zu diesem Zeitpunkt schon völlig "entmenschlicht".

Ich hoffe, ich konnte mich irgendwie verständlich machen. Ich weiß, dass das alles nicht nett ist, Menschen so abzuwerten. Bitte verurteilt mich nicht für meine Ehrlichkeit. Ich wollte nur die Frage beantworten.
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Re: Grenzen setzen

Beitragvon bluemoon » 5. Juli 2022, 21:00

Danke für die Antwort, bei mir ist es so, dass ich oft an der Beziehung hänge, aber von der Partnerin zu hören bekomme, ich würde mich nicht mehr bemühen, ihr keine Aufmerksamkeit mehr schenken. Mir selber fällt das an mir nicht auf, außer das nach der Phase der Verliebtheit natürlich auch der Alltag Einzug hält. Für mich kommt das Verschanzen erst später, aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein und in Wirklichkeit sabotiere ich meine Beziehungen vorher unbewusst selber. Auf jeden Fall nicht so radikal, sondern so, dass es für mich alltagstauglich wird.

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Re: Grenzen setzen

Beitragvon Avocado » 6. Juli 2022, 00:29

Inwiefern unterscheidet ihr dazwischen, dass ihr Grenzen auf Sachebene kommuniziert, und dem, ob sie vom Gegenüber wahrgenommen bzw. respektiert werden?
Also man kann ja z.B. sehr explizit sagen, dass man etwas nicht will, und das Gegenüber respektiert diese Grenze dann trotzdem nicht. Hat mann dann eine Grenze gesetzt oder nicht?
Ich habe das Problem grundsätzlich häufig, dass ich Grenzen eigentlich sehr klar definiere, das aber aufgrund meines schwachen emotionalen Ausdrucks oft nicht ernst genommen wird. Ich kann grundsätzlich in einen Konfliktmodus schalten, bei dem ich sehr ernst genommen werde. Der ist aber für den meisten sozialen Umgang nicht wirklich adequat, weil er gewissermaßen impliziert, dass ich mein Gegenüber ansonsten ernsthaft verletzen werde. Das spreche ich vielleicht nicht aus, aber es ist mir deutlich anzusehen. Das funktioniert aber schwer in Situationen, bei denen ein solcher Ausbruch stark negative Konsequenzen mit sich bringen würde (z.B. weil es kein Chef mag, wenn man seine Kollegen verprügelt).
Was muss ich dann ankreuzen? :rätseln:

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Re: Grenzen setzen

Beitragvon seren » 9. Juli 2022, 15:41

Avocado hat geschrieben:Also man kann ja z.B. sehr explizit sagen, dass man etwas nicht will, und das Gegenüber respektiert diese Grenze dann trotzdem nicht. Hat mann dann eine Grenze gesetzt oder nicht?
Ist mir auch schon passiert, aber nicht oft, und wenn dann nur einmal mit der jeweiligen Person. Manche Leute scheinen austesten zu wollen, wie weit sie Grenzen überschreiten oder gar jemanden dominieren können. Ich werde dann zwar nicht laut, aber frage schon mit ernstem Ton nach, ob die Person mich nicht verstanden hat, und "drohe" im Detail mit den jeweiligen Konsequenzen. (Drohen in Anführungszeichen, denn ich empfinde es nicht als Drohen, sondern als simple Wenn-Dann-Regeln.) Und dann muss man natürlich auch konsequent sein.


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