Ha!
Zwei neue Worte kennengelernt!
Salienz, und
Ich-Dyston, Ich-Synton
Na gut, drei (oder vier, oder fünf??).
Seid ihr auch solche Fremdwörter-Narren?
Bin da manchmal ein Bisschen prätentiös...
Am wichtigsten in diesem PDF finde ich die Anmerkung, dass dem "Klient" auf jeden Fall klargemacht werden muss, dass ihm eingeräumt wird, so lange schweigen zu dürfen, wie er will, und dass man zu jedem Zeitpunkt Verständnis von Seiten des Therapeuten zeigen muss, ohne gleichzeitig "unnormal" auf den "Klienten" zu reagieren.
Das ist teils sicherlich ein schwieriger Spagat, aber notwendig, um Vertrauen zu erzeugen, mittels dessen Wege zu Sozialkompetenz erschlossen werden können...
Viele Menschen mit SPS müssen oft auch erstmal eine Ich-dystonie erlernen, ehe man überhaupt Zugang zu Ihnen findet. Und ich denke, dieser erste Schritt ist der schwerste. Denn wenn man
eigentlich seine soziale Isolation als gar nicht behandlungsbedürftig erachtet, weil ja alles gut ist, solange man sich isoliert, dann braucht man auch keine Behandlung.
Schwierig bei einer SPS ist ja zumal, dass wir es meist nur so, also isoliert, wie in einer Parallelwelt lebend, kennen, also nie die Erfahrung gemacht haben, wie das "Leichte Leben" in Gesellschaft funktioniert und wohltuen kann. Und wovon man den Nutzen nicht erkennen
kann, muss man ihn auch nicht ersuchen.
Da kann ein Thearpeut dann Anreize geben, und Perspektiven aufzeigen, die einem sonst womöglich komplett verwehrt blieben...
Ich hatte gerade meine zweite Sitzung beim Therapeuten. Wir haben uns anderthalb Stunden über Gott und die Welt unterhalten (im wahrsten Wortsinn), sowie "was und wer ist normal" und meine Störung kam nur am Rande zur Sprache. Gleichzeitig überschnitten sich allerdings fast alle unserer Ansichten, was mir wiederum das Gefühl gab, in die richtige Richtung zu denken, wobei es noch viele neue Aspekte gab, die er mir vor Augen führte...
Er bestätigt mir, dass ich offenbar selbst aus der Störung einen Weg gefunden habe, und dass ich auf dem richtigen Weg bin. Daher setzt er die Sitzungen auch nur 2-monatlich an.
In aller Kürze meine Strategie, aus der Störung zu finden:- ich sehe grundsätzlich das Positive/Gute in den Menschen, sonst habe ich keine Motivation, etwas mit ihnen anzufangen (hat sich als sehr richtig erwiesen. Man kann Menschen, die einem gefallen, nur finden, wenn man nach ihnen sucht!).
Dabei sollte man sich nicht wundern, dass man mit dem überwiegenden Teil der Leute nicht viel anfangen kann.
- ich setze mich Menschen aus: gehe auf Partys, hab Affären, bin ein, bis zweimal in der Woche bei meiner besten Freundin, unternehme ab und zu was mit Freunden (nicht schlimm, wenn man in Gesellschaft Alkohol braucht, um klarzukommen. Man darf nur die Kontrolle nicht verlieren, und es muss sich im Laufe der Jahre reduzieren lassen
- ich nehme den Grad meiner Verletzbarkeit als ein Indiz für mein Fehl-Denken. Eben noch sagte meine Therapeut: "Sie können niemanden verletzen. Jeder verletzt sich immer nur selbst." Und ich: "Ist es dann erstrebenswert, abgeklärt zu sein?". Er:"Sie werden nie völlige Abgeklärtheit erreichen, und das ist gut so. (Aber es ist sicherlich falsch, eine allzu dünne Haut zu haben. < von mir dazugedichtet
)"
Ergo: Verletzbarkeit auf ein gesundes Maß reduzieren, wozu ein sehr großes Maß an Reflexion und Objektivität gefragt ist, gepaart mit einer möglichst uneingeschränkten Ehrlichkeit zu sichselbst.
- ich denke lieber in Grauzonen, als in schwarz-weiss. Dass eröffnet Einsichten in anderes Denken, und ruft Verständnis und Gutmütigkeit hervor. Meine Prinzipien lasse ich dabei nicht außer acht, bin aber bereit, sie ggf zu hinterfragen und zu ändern.
- ich schraube meine Erwartungen an meine Mitmenschen und mich herunter. Niemand ist perfekt. Alle machen Fehler. Je mehr Menschen Fehler machen, desto mehr kann ich mir meine vergeben und mich anschicken, an diesen zu arbeiten.
- ich finde es okay, dass ich mich nicht besonders gut, und schon gar nicht genauso gut, wie andere, in Gesellschaft verhalte oder fühle. Das habe ich ganz lange nicht an mir akzeptieren können. Aber seit ich weiss, dass ich da eine Störung habe, kann ich gut damit umgehen, und merke außerdem, im Zusammenspiel mit allen hier aufgeführten Aspekten, eine stetige, langsame Besserung. Ich werde ruhiger, die depressiven Phasen immer kürzer, und ich fühle mich immer motivierter, Dinge anzugehen. Und ich bewege mich gelassener und sicherer in Gesellschaft.
Ich hoffe, das kam jetzt nicht zu selbstverliebt rüber. Aber es gibt nicht viele Dinge in meinem Leben, auf die ich stolz bin. Dass ich mir allerdings gut selbst helfen konnte, dass ich mich selbst gewissermaßen belebe, und mir das meine Therapeut auch noch bestätigt, veranlasst schon einen gewissen Stolz. Ist sicherlich okay so
(würde mich freuen, wenn mir jemand dafür den Kopf tätschelt!)
Liebe Grüße
Dirk