Globale Impfstoffverteilung

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ToWCypress81
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Globale Impfstoffverteilung

Beitragvon ToWCypress81 » 2. Februar 2022, 16:40

Ein wichtiges Thema.

Folgende Auszüge aus:
https://www.aerzteblatt.de/archiv/218658/Globale-Impfstoffverteilung-Die-Blockade-der-Reichen

Viele arme Länder können ihre Bevölkerung wegen Impfstoffknappheit derzeit nicht versorgen. Damit sie selbst ausreichend Impfstoff herstellen können, fordern einige eine Patentfreigabe von der Welthandelsorganisation WTO. Doch reiche Staaten wollen diesen Schritt verhindern.

Denn während etwa in Deutschland bis zum Spätsommer jeder Einwohner ein Impfangebot erhalten soll, konnten viele Länder in Afrika, Asien und Südamerika aufgrund von Impfstoffmangel bisher gar nicht mit dem Impfen beginnen. Die reichsten Länder der Welt, die knapp 16 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, haben sich laut einer kürzlich im Lancet veröffentlichten Analyse 70 Prozent der 2021 verfügbaren Dosen der fünf führenden Impfstoffe gesichert.

Die dabei gezahlten Kaufpreise sind für ärmere Länder nicht erschwinglich. Aufgrund von Patenten haben sie aber auch keine Möglichkeit, selbst ausreichend Impfstoff zu produzieren – obgleich die entsprechenden Kapazitäten teilweise vorhanden wären.

Doch ein teilweises Außerkraftsetzen (Verzicht) des sogenannten TRIPS-Abkommens – kurz für Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights – würde tief in die marktwirtschaftlichen Interessen der Pharmakonzerne eingreifen. „Da die Patentrechte vorübergehend aufgehoben wären, hätten die Unternehmen nicht mehr die Möglichkeit mitzuverdienen, wenn andere Hersteller beispielsweise ihre Impfstoffe herstellen“, erklärt die Linken-Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler, die sich unter anderem für das globale Netzwerk „Peoples Health Movement“ einsetzt, das den Antrag von Indien und Südafrika unterstützt. „Zudem würden die Preise deutlich fallen, wenn mehr Produzenten einsteigen.“

Reiche Industrieländer mit traditionsreichen Pharmastandorten wie die EU, Japan, Kanada, Australien, Großbritannien, die Schweiz und die USA wollten keinen Präzedenzfall schaffen und so die Beziehung mit den Unternehmen langfristig schädigen, so Vogler. Aus diesem Grund blockierten diese und einige weitere wohlhabende Länder den Vorschlag von Südafrika und Indien in der WTO. Es sind fast ausnahmslos Staaten, die sich über bilaterale Verträge mit Herstellern bereits ausreichend Impfstoff für ihre Bevölkerung gesichert haben, wie eine laufend aktualisierte Weltkarte der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen zeigt.

Über 100 Nationen befürworten den Vorstoß, darunter die gesamte Afrika-Sektion sowie die Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder der WTO. Auch zahlreiche nicht profitorientierte Organisationen unterstützen den TRIPS-Waiver ("Waiver" = Verzicht), darunter die Afrikanische Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker, Amnesty International, Human Rights Watch, Ärzte ohne Grenzen, das Gemeinsame Programm der Vereinten Nationen für HIV/AIDS (UNAIDS), Unitaid, Vertreter des Hochkommissariats für Menschenrechte der Vereinten Nationen und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie der Heilige Stuhl. Auf die Entscheidung der WTO hat das jedoch keinen direkten Einfluss.

Da die Blockadestaaten zu den gewichtigen Mitgliedern der Organisation (TRIPS) zählen, gilt eine Einigung als unwahrscheinlich. Erst in der vergangenen Woche ging ein Treffen des WTO-Generalrats unter Leitung der im Februar gewählten neuen Generaldirektorin Ngozi Okonjo-Iweala in diesem Punkt ergebnislos auseinander.

Das Limit von 90 Tagen, in denen das zuständige Gremium üblicherweise eine Empfehlung an das höchste Organ der WTO, die Ministerkonferenz übermittelt, ist längst überschritten. Die Blockade hat bislang sogar verhindert, dass sogenannte textbasierte Verhandlungen aufgenommen wurden, die als erster wesentlicher Schritt bei anstehenden Entscheidungen gelten.

„Was wir aktuell beobachten ist, dass reiche Länder eine Verschleppungstaktik zu fahren scheinen, obwohl in der Pandemie Eile geboten wäre.

„Doch tatsächlich bremst ja jetzt vor allem die Politik. Ein Technologietransfer dauert im Schnitt sechs Monate. Wenn die Entscheidung weiter verschleppt wird, bleibt es dabei, dass geistige Eigentumsrechte erhebliche Barrieren kreieren, Preise in die Höhe treiben und eine künstliche Verknappung erzeugen“, so Massute. „Aber diese Pandemie wird erst vorbei sein, wenn sie für alle Menschen vorbei ist.“

Aus Elisabeth Massutes Sicht unbegründet: Es gehe nicht darum, dass Pharmaunternehmen für ihre Arbeit nicht bezahlt werden sollten, sondern um den Unterschied zwischen Gewinnmaximierung in einer globalen Pandemie und den Gesundheitsbedürfnissen der Menschen. Bereits vor der Pandemie sei die Entwicklung von Arzneimitteln und Impfungen massiv aus Steuergeldern mitfinanziert worden. „Das hat sich in der Pandemie noch einmal verstärkt“, erklärt die Vertreterin von Ärzte ohne Grenzen. Rechte an geistigem Eigentum sowie Patente schützten jedoch lediglich die wirtschaftlichen Gewinne des einzelnen Pharmaunternehmens. „Regierungen müssen konkrete Bedingungen an ihre Subventionen und Förderungen knüpfen, die für alle bezahlbare Preise, Transparenz und die Möglichkeit für Technologietransfer, und damit eine Ausweitung der globalen Impfstoffproduktion, sicherstellen“, fordert Massute. Bislang geschieht dies nach Ansicht von Menschenrechtsexpertinnen nicht in ausreichendem Maße.

Stattdessen verweisen etwa die Bundesrepublik Deutschland sowie auch die EU-Kommission stellvertretend für alle Mitglieder auf drei andere Maßnahmen, die einen TRIPS-Waiver aus ihrer Sicht überflüssig machen: freiwillige Lizenzverträge von Impfstoffentwicklern mit anderen Herstellern, nationale Zwangslizenzen sowie die globale Impfstoffinitiative COVAX, für die sowohl die EU als auch Deutschland bereits Milliardensummen zur Verfügung gestellt haben. Befürworter des Waivers (Verzichts) lassen keine der Maßnahmen gelten.

„Nationale Zwangslizenzen, die das TRIPS-Abkommen in Notsituationen wie einer Pandemie zulässt, konnten von Ländern des Globalen Südens bisher de facto noch nie umgesetzt werden, da ihnen die Impfstoffhersteller oder die Länder, in denen diese ansässig sind, mit Sanktionen gedroht oder den Prozess kompliziert haben“, sagt Linken-Politikerin Vogler. Bestes Beispiel sei die Aids-Pandemie, in der die Patente trotz vieler Toter und zahlreicher Versuche afrikanischer Länder, eine Zwangslizenz zu erwirken, geschützt wurden. Erst nach dem Auslaufen der Patente habe man die Krise in den Griff bekommen.
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Re: Globale Impfstoffverteilung

Beitragvon Traumafrau » 3. Februar 2022, 01:51

Joa. So viel zum Thema "Ungeimpfte verhindern das Ende der Pandemie". :verstimmt:

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Re: Globale Impfstoffverteilung

Beitragvon Kalliope » 2. März 2022, 10:51

oops,im Monat geirrt ;)
"In Wirklichkeit ist der andere Mensch Dein empfindlichstes Selbst in einem anderen Körper" Khalil Gibran
"Das Ideal einer vollkommenen Gesundheit ist bloß wissenschaftlich interessant. Krankheit gehört zur Individualisierung." Novalis


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